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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Herrn lieb war, welcher sich beständig bei seiner Mutter über seine harte Strenge beklagte, die ihm auch immer geneigtes Gehör gab.« – »Ja, ja,« rief Rebhuhn, »solche Mütter gibt's mehr! Mich selbst haben einige davon mißhandelt und das sehr ungerechterweise, solche Mütter verdienen ebensoviel Züchtigung als ihre Kinder.«
    Jones gab dem Pädagogen einen Verweis über diese Unterbrechung und darauf fuhr der Fremde fort: »Mein Bruder, der nunmehr fünfzehn Jahre alt war, gab allem, was lernen hieß, den Abschied und überhaupt allem, seine Hunde und seine Jagdflinte ausgenommen, mit welcher letztern er es zu solcher Geschicklichkeit brachte, daß er, ob Sie's gleich für unglaublich halten mögen, nicht nur mit ziemlicher Sicherheit eine stehende kleine Scheibe treffen konnte, sondern auch wirklich eine Krähe im Fluge aus der Luft geschossen hat. Er war ebenfalls gar vortrefflich geschickt, einen Hasen im Lager zu rahmen, und in Kuren hielt man ihn für einen der besten Jäger in der ganzen Gegend. Einen Ruhm, worüber er und seine Mutter sich ebenso inniglich ergötzten, als ob man ihn für einen der vortrefflichsten Gelehrten geachtet hätte.
    Anfänglich ließ mich die Lage meines Bruders mein Los um desto härter achten, weil ich noch ferner in der Schule bleiben mußte; aber ich änderte bald meine Meinung, denn da mir mein Lernen so ziemlich von statten ging, so wurden mir meine Arbeiten bald leicht und meine Schulstunden so angenehm, daß ich keine unbehaglichere Zeit hatte als die Sonn- und Festtage, denn meine Mutter, welche mich niemals leiden konnte, fing an zu besorgen, ich hätte den größern Anteil an der Liebe meines Vaters, und weil sie fand, oder wenigstens zu finden meinte, daß mir einige gelehrte Männer und besonders der Pfarrer des Kirchspiels vor meinem Bruder den Vorzug gäben, so fing sie an, meinen Anblick zu hassen, und machte [110] mir das väterliche Haus dergestalt zuwider, daß das, was die Schulknaben den bittern Montag nennen, da sie wieder zur Schule müssen, mir der süßeste im ganzen Jahre war.
    Nachdem ich endlich die Schule zu Daunton durchlaufen hatte, nahm man mich von da weg und that mich in das Exeter-Kollegium zu Oxford, woselbst ich vier Jahre verblieb, nach deren Verlauf sich ein Zufall begab, der allem meinem Studieren ein Ende machte, und von welcher Zeit ich den Anfang aller meiner nachherigen Schicksale des Lebens datieren kann.
    In eben diesem Kollegium befand sich mit mir ein gewisser Sir George Gresham, ein junger Mensch, der ein ansehnliches Vermögen besaß, zu dessen freiem Besitze er aber zufolge seines Vaters Testament nicht vor seinem fünfundzwanzigsten Jahre gelangen sollte. Indessen ließ ihm die Freigebigkeit seiner Vormünder wenig Ursache, die weitgetriebene Vorsicht seines Vaters hart zu finden, denn sie erlaubten ihm des Jahrs fünfhundert Pfund Sterling, solange er auf der Universität war, woselbst er seine Pferde und seine Konkubine hielt und ein ebenso ausschweifendes, schändliches Leben führte, als er nur hätte thun können, wenn er auch der unbeschränkteste Herr seines Vermögens gewesen wäre. Denn außer den fünfhundert Pfund, welche er des Jahrs von seinen Vormündern erhielt, fand er Mittel, noch andre tausend dazu zu verthun. Er war über einundzwanzig Jahre alt und fand keine Schwierigkeiten, soviel auf Kredit zu nehmen als er nur immer wollte.
    Dieser junge Mensch hatte unter andern ziemlich schlimmen Eigenschaften auch eine, die höchst teuflisch war. Es war ihm eine große Freude, wenn er Jünglinge von geringem Vermögen dadurch ins Verderben stürzen konnte, daß er sie zu allerlei Art von Aufwand verleitete, den sie nicht so gut ausführen konnten als er selbst, und je besser, würdiger und vernünftiger ein junger Mensch war, je größere Freude und Triumph hatte er über dessen Verderben. Auf diese Art spielte er die Rolle des Teufels und ging umher zu suchen, wen er verschlinge.
    Zu meinem Unglück mußte ich mit diesem jungen Edelmanne bekannt und vertraut werden. Der Ruf von meinem Fleiße im Studieren machte mich zum wünschenswertesten Gegenstande seiner Ränke und meine eigne Neigung machte es ihm leicht genug, zu seinem Zwecke zu gelangen, denn ob ich mich gleich sehr emsig mit meinen Büchern beschäftigt hatte und daran wirklich vieles Vergnügen fand, so gab es doch noch andre Ergötzlichkeiten, an denen ich weit größeres zu finden fähig war, denn ich war ziemlich warm vor der Stirn, hatte sehr

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