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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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heftige Lebensgeister, war ein wenig ehrgeizig und dabei von außerordentlich verliebter Natur.
    [111] Ich hatte noch nicht lange meine vertraute Bekanntschaft mit Sir George gemacht, als ich schon ein Teilnehmer an allen seinen Ergötzlichkeiten wurde; und da ich einmal diese Bühne betreten hatte, so gaben es weder meine Neigungen, noch mein Ehrgeiz zu, auf derselben eine bloße Nebenrolle zu spielen. Ich gab niemanden von der Gesellschaft etwas nach, wenn es auf Ausschweifungen der Liederlichkeit und des Schwelgens ankam. Ja, ich machte mich bald bei allen Händeln und Nachtstreichen so merkwürdig und berühmt, daß mein Name gewöhnlich in der Liste an der Spitze der Rädelsführer stand, und anstatt mich als den unglücklichen Zögling des Sir George zu beklagen, beschuldigte man mich vielmehr, daß ich eben derjenige sei, welcher diesen hoffnungsvollen Herrn von Stande verleitet und verführt habe. Denn, ob er gleich der Anstifter alles Unheils und bei allen Händeln der Anführer war, so wurde er doch niemals dafür gehalten. Endlich ward ich vor dem Prorektor zu erscheinen vorgeladen und entging mit genauer Not der Relegation.
    Sie können sich leicht vorstellen, mein Herr, daß ein solches Leben, wie ich jetzt beschreibe, sich mit keinem weitern Fortschritt in meinen Studien vertragen konnte, und daß ich in eben dem Verhältnis, wie ich mich in dieses zügellose Leben einließ, immer mehr und mehr meinen Fleiß vernachlässigen mußte. Dies war auch wirklich die Folge davon; nur war es nicht die einzige. Meine Ausgaben überschritten nicht nur um ein großes meine bisherigen Wechsel, sondern auch die Zuschüsse, welche ich von meinem armen großmütigen Vater unter dem Vorwande erpreßte, daß ich notwendig dazu Geld brauchte, mich auf meine herannahende Promotion zu präparieren. Diese Forderungen wurden unterdessen endlich so häufig und so übertrieben, daß mein Vater nach und nach den Nachrichten die Ohren öffnete, welche er von vielen Seiten her über meine gegenwärtige Aufführung erhielt, und welche meine Mutter nicht ermangelte, als ein getreues Echo sehr laut widerhallen zu lassen. Ha! ha! das ist der feine junge Herr, der Gelehrte, der seiner Familie so große Ehre macht und einst der Stecken und Stab seiner Eltern werden wird! Ich dachte wohl, wo's mit all der Gelehrsamkeit hinauslaufen würde! In Armut und Verderben wird er uns stürzen, nachdem man seinen ältern Bruder ihm zu Gefallen das Allernotwendigste verweigert hat, um ja seine vortreffliche Erziehung zu stande zu bringen, wofür er uns nun mit solchen Interessen belohnt. Herrliche Interessen sind mir das! Aber ich hab' es immer wohl vorhergesagt, – und was dergleichen mehr war! – aber ich meine, Sie haben an diesem Pröbchen genug.
    Mein Vater begann nunmehr, mir anstatt des Gelder Verweise auf meine Briefe zu schicken; wodurch denn meine Sachen vielleicht [112] ein wenig früher zum Bruch kamen. Denn, hätt' er mir auch sein ganzes Einkommen geschickt, so würde es doch, wie Sie leicht erachten werden, nur eine sehr kurze Zeit für einen Menschen zugereicht haben, der sich in seinen Ausgaben mit Sir George Gresham auf gleichen Fuß setzte. Es ist mehr als möglich, daß die Verlegenheit um Geld, worin ich mich jetzt befand, und die unendliche Schwierigkeit, es auf diese Art weiter fortzutreiben, mich wieder zu meiner Besonnenheit und zu meinem Studieren zurückgebracht haben würde, hätt' ich früher die Augen geöffnet, eh' ich in Schulden verflochten wurde, aus welchen ich keine Hoffnung vor mir sah, mich wieder herauszuarbeiten. Hierin bestand eigentlich das große Kunststück des Sir George, wodurch er das Verderben vieler jungen Menschen zum höchsten Grade trieb, die er hernach als Gimpel und Narren auslachte, weil sie sich, wie er's nannte, bis zu seiner Größe hätten aufblasen wollen. Um diesen seinen Endzweck nicht zu verfehlen, streckte er selbst zuweilen einem jungen Menschen ein wenig Geld vor, damit der Unglückselige bei andern Leuten um so leichter Kredit finden möchte, bis er endlich durch eben diesen Kredit aufs unwiederbringlichste verloren war.
    Durch diese Ränke war meine Seele in eben so verzweifelte Umstände geraten, als selbst meine Vermögensumstände; und es gab kaum ein Bubenstück, auf welches ich nicht gesonnen hätte, um mich aus diesem Elende zu reißen. Sogar der Selbstmord ward ein Gegenstand meiner ernsthaften Beratschlagung; und ich würde mich gewiß dazu entschlossen haben, hätte ihn

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