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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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unter vier Augen nicht.
    Mr. Greenleaf sagte, er führe morgen wieder nach Rom, und Tom versprach, ihn morgens gegen neun Uhr anzurufen, um zu erfragen, für welchen Zug er sich entschieden hätte. Marge wollte mit Mr. Greenleaf zusammen nach Rom zurückkehren, und sie war mit jedem Zug einverstanden. Sie gingen zum »Gritti« zurück - Mr. Greenleaf mit seinem straffen Industriellengesicht unter dem grauen Homburg wirkte wie ein Stück Madison Avenue, das da durch die engen Zickzackgäßchen schritt -, und sie sagten einander gute Nacht.
    »Es tut mir schrecklich leid, daß wir nicht länger zusammen sein konnten«, sagte Tom.
    »Mir auch, mein Junge, mir auch. Vielleicht ein andermal.« Mr. Greenleaf klopfte ihm auf die Schulter.
    Tom ging mit Marge nach Hause, er lief wie auf Wolken. Alles war so unglaublich gut verlaufen, dachte er. Marge schnatterte drauflos, während sie gingen, sie kicherte, denn ein Träger ihres Büstenhalters war gerissen, und sie mußte ihn mit einer Hand hochhalten, sagte sie. Tom dachte an den Brief, den er am Nachmittag von Bob Delancey bekommen hatte, die erste Nachricht von Bob außer einer Postkarte vor ewigen Zeiten. Bob schrieb, daß die Polizei dagewesen wäre und alle Hausbewohner wegen eines Steuerbetrugs vor ein paar Monaten vernommen hätte. Der Betrüger hätte sich anscheinend seine Schecks an diese Adresse schicken lassen, und er hätte sie ganz einfach an sich gebracht, indem er die Briefe von der Kante des Postkastens herunterholte, wohin der Briefträger sie gesteckt hätte. Auch der Briefträger wäre vernommen worden, schrieb Bob, und er könnte sich noch darauf besinnen, daß auf den Briefen der Name George McAlpin gestanden hätte. Bob schien das alles zu belustigen. Er beschrieb die Reaktion der Leute im Hause auf die Vernehmungen der Polizei. Die Frage sei, wer die an George McAlpin adressierte Post an sich genommen hätte? Nun, das ganze klang jedenfalls sehr beruhigend. Diese Steuerepisode hatte immer irgendwie über Toms Haupte geschwebt, denn es war ihm klar gewesen, daß es da irgendwann noch eine Untersuchung geben würde. Er war froh, daß es bis hierhin und nicht weiter gegangen war. Er konnte sich nicht vorstellen, wie die Polizei jemals Tom Ripley mit Georges McAlpin in Verbindung bringen sollte, bringen könnte. Außerdem hatte der Betrüger, wie Bob bemerkte, nicht einmal den Versuch gemacht, die Schecks einzulösen.
    Als Tom zu Hause war, setzte er sich ins Wohnzimmer, um Bobs Brief noch einmal zu lesen. Marge war nach oben gegangen, um ihre Sachen zu packen und schlafen zu gehen. Tom war auch müde, aber es war so schön, die Vorfreude auf die Freiheit morgen, wenn Marge und Mr. Greenleaf weg wären, auszukosten, daß es ihm nichts ausgemacht hätte, die ganze Nacht aufzubleiben. Er zog seine Schuhe aus, damit er seine Füße auf das Sofa legen konnte, ließ sich auf ein Kissen sinken und las, was Bob weiter schrieb. »Die Polizei nimmt an, daß es ein Fremder war, der gelegentlich vorbeikam und die Briefe abholte, denn keiner der Deppen hier im Hause sieht nach einem Kriminellen aus . . .« Eigenartig, von seinen Bekannten in New York zu lesen, von Ed und Lorraine, dem hirnlosen Mädchen, das versucht hatte, sich in seiner Kabine zu verstauen, damals, als er von New York abfuhr. Es war eigenartig und nicht im geringsten angenehm. Was für ein trauriges Leben hatten sie doch, krochen in New York herum, hinein in die U-Bahnen und wieder heraus, standen in einer schmutzigen Bar an der Dritten Avenue herum, um sich zu amüsieren, saßen vor dem Fernsehgerät - aber selbst wenn sie Geld genug hatten für eine Bar an der Madison Avenue oder für ein gutes Restaurant hier und da, wie langweilig war doch das alles im Vergleich zu der schlechtesten kleinen Trattoria in Venedig mit ihren Platten voll grüner Salate, ihren Tabletts voll herrlichen Käses, ihren freundlichen Obern, die einem den besten Wein der Welt kredenzten! »Und wie ich Dich beneide, der da in Venedig in einem alten Palazzo sitzt!« schrieb Bob. »Fährst Du oft Gondola? Wie sind die Mädchen? Wirst Du so kultiviert werden, daß Du keinen von uns mehr eines Wortes würdigst, wenn Du wieder hier bist? Übrigens, wie lange willst Du denn bleiben?«
    Für immer, dachte Tom. Vielleicht führe er niemals in die Staaten zurück. Es lag nicht so sehr an Europa selber, daß er so empfand, als vielmehr an den Abenden, die er allein verbracht hatte, manchmal in Rom, Abende, an denen er bloß

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