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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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sogar den genauen Wortlaut des Gespräches gehört, das er hinterher mit Mr. Greenleaf geführt hätte - Mr. Greenleaf erschüttert und verschreckt, er selber äußerlich genauso erschüttert, aber eben nur äußerlich. Unter dieser Erschütterung wäre er so ruhig und selbstsicher gewesen, wie er es nach der Ermordung Freddies war, denn seine Geschichte wäre unangreifbar gewesen. Wie die San Remo-Geschichte. Seine Geschichten waren gut, weil er sie lebendig vor sich sah, so lebendig, daß er sie am Ende selber glaubte.
    Einen Augenblick lang hörte er seine eigene Stimme: ». . . Ich stand hier auf der Treppe und rief sie, ich dachte, sie müßte doch jeden Moment heraufkommen, ich rechnete auch schon damit, daß sie ihren Schabernack mit mir triebe . . . Aber ich wußte nicht genau, ob sie sich verletzt hatte, und sie hatte doch eben noch so quicklebendig dort gestanden . . .« Sein Körper spannte sich. Es war, als drehte sich in seinem Schädel eine Schallplatte, als spiele sich mitten im Wohnzimmer ein kleines Drama ab, ohne daß er imstande gewesen wäre, dem Einhalt zu gebieten. Er konnte sich selber sehen, wie er mit den italienischen Polizisten und mit Mr. Greenleaf an der großen Tür stand, die in die Halle führte. Er konnte sich sehen und hören, wie er voller Ernst redete. Und Glauben fand.
    Aber was ihn eigentlich in Angst und Schrecken versetzte, das waren nicht dieser Dialog und nicht die Halluzination, er hätte es getan (er wußte genau, er hatte es nicht getan), sondern das war die Vorstellung, daß er vor Marge gestanden hatte, den Schuh in der Hand, daß er sich all dies auf so kühle, methodische Weise zurechtgelegt hatte. Die beiden ersten Male, das waren Tatsachen, keine Phantasien. Er konnte zwar sagen, er habe es nicht tun wollen, aber er hatte es getan. Er wollte kein Mörder sein. Manchmal konnte er völlig vergessen, daß er gemordet hatte, kam ihm zum Bewußtsein. Manchmal aber auch konnte er es nicht - so wie jetzt. Ganz sicher hatte er es heute abend für eine Weile vergessen, als er über die Bedeutung des Besitzes nachgedacht hatte und darüber, warum er so gern in Europa war.
    Er wälzte sich auf die Seite, zog seine Füße auf das Sofa hinauf. Er schwitzte und zitterte. Was war mit ihm los? Was war passiert? Würde er morgen, wenn er Mr. Greenleaf traf, einen Schwall von Unsinn hervorsprudeln, von Marge, die in den Kanal gefallen sei, von seinem Hilfegeschrei, seinem Hineinspringen, seiner vergeblichen Suche nach ihr? Auch wenn Marge dabei war, neben ihm stand - würde es mit ihm durchgehen, würde er die Geschichte heruntersprudeln und sich als ein Wahnsinniger entpuppen?
    Morgen mußte er sich Mr. Greenleaf mit den Ringen stellen. Er mußte die Geschichte wiederholen, die er Marge erzählt hatte. Er mußte sie noch mit Details ausschmücken, um sie besser zu machen. Er begann, zu erfinden. Seine Gedanken ordneten sich. Er stellte sich ein römisches Hotelzimmer vor, Dickie und er standen da und sprachen, und Dickie zog beide Ringe von den Fingern und reichte sie ihm. Dickie sagte: »Am besten sagst du niemandem etwas davon . . .«

27
    Am nächsten Morgen um halb neun rief Marge Mr. Greenleaf an, um ihn zu fragen, wann sie frühestens bei ihm im Hotel sein könnten, wie sie Tom sagte. Tom hörte, wie sie anfing, ihm die Geschichte von den Ringen zu erzählen. Marge gebrauchte die gleichen Worte, mit denen Tom ihr von den Ringen berichtet hatte - offensichtlich hatte Marge ihm geglaubt -, aber Tom konnte nicht feststellen, wie Mr. Greenleaf es aufnahm. Er befürchtete, diese Nachricht könnte genau das Steinchen sein, das die Lawine ins Rollen brächte, er befürchtete, daß Mr. Greenleaf nachher, wenn sie zu ihm gingen, mit einem Polizisten dastünde, der gekommen war, Tom Ripley zu verhaften. Diese Möglichkeit glich den Vorteil, daß er nicht dabei war, wenn Mr. Greenleaf von den Ringen erfuhr, ziemlich aus.
    »Was hat er gesagt?« fragte Tom, als Marge aufgehängt hatte.
    Müde sank Marge auf einen Stuhl am anderen Ende des Raumes. »Er scheint genauso darüber zu denken wie ich. Er hat es selbst gesagt. Es sieht so aus, als hätte Dickie die Absicht gehabt, sich umzubringen.«
    Aber Mr. Greenleaf hätte ja jetzt ein bißchen Zeit, darüber nachzudenken, bis sie dort wären, dachte Tom. »Wann sollen wir dort sein?« fragte er.
    »Ich habe ihm gesagt, wir kämen um halb zehn oder früher. Sobald wir etwas Kaffe getrunken haben. Der Kaffee ist gleich soweit.« Marge stand auf

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