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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Seelenruhig blickte Tom zum Vesuv hinüber, als hätte er ihn schon tausendmal gesehen. Dort um die Landzunge herum, am Fuße des Vesuvs, lag Richards Dorf.
    Am nächsten Vormittag um elf Uhr bestieg er den Bus. Die Straße wand sich an der Küste entlang und lief durch kleine Städtchen, wo kurz angehalten wurde - Torre del Greco, Torre Annunciata, Castellamare, Sorrento. Tom paßte genau auf die Städtenamen auf, die der Fahrer ausrief. Von Sorrent aus wurde die Straße zu einer engen Schlucht, sie schnitt durch die Felsenklippen, die Tom von den Photos der Greenleafs her kannte. Hier und da fing er einen Schimmer auf von den kleinen Dörfchen unten am Wasser, Häuschen wie Weißbrotkrümel, und die schwarzen Pünktchen, das waren die Köpfe von Schwimmern nahe beim Strand. Tom sah, daß ein Stein, groß wie ein Findling, mitten auf der Straße lag, offenbar war er von einem der Felsen abgebrochen. Mit einem nonchalanten Schlenker wich der Fahrer ihm aus.
    »Mongibello!«
    Tom sprang auf und wuchtete seinen Koffer aus dem Gepäcknetz. Der zweite Koffer lag auf dem Dach des Autobusses, der Schaffner holte ihn herunter. Dann fuhr der Bus weiter, und Tom stand verlassen am Straßenrand, die Koffer neben sich. Da gab es Häuser oben, sie verstreuten sich den Berg hinauf, und Häuser unten, ihre Ziegeldächer hoben sich scharf gegen das blaue Meer ab. Tom ging, seine Koffer im Auge behaltend, über die Straße zu einem Häuschen mit dem Schild »Posta« und bat den Mann hinter der Scheibe um Auskunft, wo das Haus Richard Greenleafs zu finden wäre. Ganz unbewußt sprach er englisch, aber der Mann schien zu verstehen, denn er kam heraus vor die Tür und deutete in die Richtung, aus der Tom gerade mit dem Bus gekommen war, und er sprudelte auf italienisch eine anscheinend detaillierte Beschreibung des Weges hervor.
    »Sempre sinistra, sinistra!«
    Tom bedankte sich und fragte, ob er seine beiden Koffer für ein Weilchen im Postamt lassen könnte, und auch das schien der Mann zu verstehen, und er half Tom beim Hereintragen.
    Er mußte noch zwei weitere Leute nach dem Hause Richard Greenleafs fragen, aber jedermann schien es zu kennen, und der dritte konnte es ihm zeigen - ein großes, zweigeschossiges Haus mit einem schmiedeeisernen Tor zur Straße und einer Terrasse, die über den Felsenabgrund ragte. Tom zog die metallene Glocke neben dem Tor. Eine Italienerin, die sich die Hände an der Schürze abwischte, trat aus dem Hause.
    »Mr. Greenleaf?« fragte Tom hoffnungsvoll.
    Die Frau gab ihm eine lange, freundliche Antwort auf italienisch und deutete hinunter zum Meer.
    Tom nickte. »Grazie«, sagte er.
    Sollte er zum Strand hinuntergehen, so wie er war, oder sollte er bedachtsamer zu Werke gehen und sich in eine Badehose werfen? Oder sollte er bis zur Tee- oder Cocktailzeit warten? Oder sollte er vielleicht überhaupt erst einmal versuchen, zu telephonieren? Er hatte keine Badehose mitgenommen, und ohne Frage mußte er hier eine haben. Tom ging in eins der kleinen Geschäfte in der Nähe des Postamtes, es hatte Hemden und kurze Strandhosen in seinem winzigen Schaufenster, und nachdem er verschiedene kurze Hosen anprobiert hatte, die ihm nicht paßten oder die als Badehose nicht zu gebrauchen waren, kaufte er ein schwarz-gelbes Ding, kaum breiter als eine G-Saite. Seine Kleidungsstücke verschnürte er in seinem Regenmantel zu einem ordentlichen Bündel und wollte barfuß zur Tür hinaus. Mit einem Satz war er wieder im Laden. Das Kopfsteinpflaster war heiß wie glühende Kohle.
    »Schuhe? Sandalen?« wandte er sich an den Mann im Laden.
    Der Mann verkaufte keine Schuhe.
    Tom zog seine eigenen Schuhe wieder an und ging über die Straße ins Postamt, willens, seine Kleider bei den Koffern zu lassen, aber die Tür der Post war verschlossen. Davon hatte er schon gehört, daß man in Europa manchmal von zwölf bis vier Uhr schloß. Er drehte sich um und ging einen gepflasterten Weg hinunter, von dem er annahm, er müßte zum Strand führen. Er stieg ein Dutzend steiler Steinstufen hinab, folgte einem anderen gepflasterten Weg, vorbei an Läden und Häusern, noch einmal Stufen, und endlich erreichte er eine ebene, breite Straße gleich über dem Strand, wo es ein paar Cafés und ein Restaurant gab mit Tischen im Freien. Bronzene italienische Halbwüchsige saßen auf den Holzbänken am Straßenrand und unterzogen ihn einer gründlichen Inspektion, als er vorbeiging. Er fühlte sich ganz elend beim Gedanken an die klobigen

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