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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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es da noch, dessen er sich zu schämen hätte? Er hatte versagt bei Dickie, in jeder Hinsicht. Er haßte Dickie, denn sein Versagen, er konnte es drehen und wenden, wie er wollte, es war nicht seine eigene Schuld, es lag nicht daran, daß er irgend etwas falsch gemacht hatte. Es lag an Dickies unmenschlicher Sturheit. Und seine lärmende Grobheit! Tom hatte Dickie Freundschaft, Kameradschaft und Respekt angeboten, alles, was er zu bieten hatte, und Dickie hatte mit Undankbarkeit und nun auch Feindseligkeit darauf geantwortet. Dickie schob ihn einfach ab. Wenn er ihn auf dieser Reise tötete, dachte Tom, dann könnte er einfach sagen, es sei ein Unfall passiert. Er könnte - jetzt war ihm ein geradezu glänzender Einfall gekommen: er selber könnte Dickie Greenleaf werden. Er könnte alles das tun, was Dickie tat. Er könnte zunächst nach Mongibello zurückfahren und Dickies Sachen zusammenholen, könnte Marge irgendeine verdammte Geschichte erzählen, könnte sich eine Wohnung in Rom oder Paris einrichten, jeden Monat Dickies Scheck in Empfang nehmen und darauf Dickies Unterschrift fälschen. Er könnte direkt in Dickies Fußstapfen treten. Er könnte Mr. Greenleaf senior so zahm machen, daß er ihm aus der Hand fräße. Daß die Sache gefährlich war, ja, daß ihr unvermeidlich zeitliche Grenzen gesetzt waren, wie ihm verschwommen zum Bewußtsein kam, das steigerte nur noch seine Begeisterung. Er begann, über das Wie nachzudenken.
    Das Wasser. Aber Dickie war ein so hervorragender Schwimmer. Die Felsen. Es war eigentlich sehr einfach, Dickie von einer Klippe zu stoßen, wenn sie einmal spazierengingen. Aber angenommen, Dickie griffe nach ihm und risse ihn mit sich - sein ganzer Körper spannte sich in den Polstern, bis seine Schenkel schmerzten und die Fingernägel rote Kerben in seine Handflächen geschnitten hatten. Er mußte auch den anderen Ring abziehen, dachte Tom. Er mußte sein Haar etwas heller färben. Und natürlich durfte er sich nicht dort niederlassen, wo irgendeiner wohnte, der mit Dickie bekannt war. Er brauchte nur genügend Ähnlichkeit mit Dickie zu haben, um Dickies Paß benutzen zu können. Nun, die hatte er. Wenn er . . .
    Dickie öffnete die Augen, sein Blick war geradenwegs auf Tom gerichtet, und Tom sackte zusammen, glitt in seine Ecke, den Kopf hintenübergebeugt und die Augen geschlossen, so als hätte er die Besinnung verloren.
    »Tom, ist dir nicht gut?« fragte Dickie und rüttelte an Toms Knie.
    »Doch, doch«, sagte Tom und lächelte schwach. Er sah, wie Dickie sich wieder zurücklehnte, Dickie war gereizt, und Tom wußte auch weshalb: weil es Dickie peinlich war, Anteilnahme für Tom bewiesen zu haben. Tom lächelte vor sich hin, seine rasche Reaktion freute ihn, großartig, wie er die Ohnmacht hingelegt hatte, es war die einzige Möglichkeit gewesen, den bestimmt recht eigenartigen Ausdruck seines Gesichts vor Dickie zu verbergen.
    San Remo. Blumen. Auch hier die Promenade am Meer, Geschäfte und Warenhäuser und englische und französische und italienische Touristen. Wieder ein Hotel, es hatte Blumen auf den Balkons. Wo? In einem dieser kleinen Gäßchen, heute nacht? Um ein Uhr morgens dürfte die Stadt dunkel und still sein, vielleicht konnte er Dickie so lange herumschleppen. Im Wasser? Es war etwas wolkig, aber nicht kalt. Tom zermarterte sich das Hirn. Es wäre auch im Hotelzimmer nicht schwierig, aber wohin mit der Leiche? Die Leiche mußte verschwinden, unauffindbar. Damit blieb also nur das Wasser. Und das Wasser war Dickies Element. Es gab Boote. Ruderboote und kleine Motorboote, man konnte sie mieten unten am Strand. In jedem Motorboot lag ein rundes Zementgewicht mit einer Leine daran, stellte Tom fest, sicherlich verankerte man damit das Boot.
    »Was meinst du, sollen wir ein Boot mieten, Dickie?« fragte Tom und bemühte sich, es nicht gierig klingen zu lassen, aber es klang gierig, und Dickie schaute ihn an, denn solange sie hier waren, hatte Tom noch nicht einmal Begierde für irgend etwas gezeigt.
    Es gab kleine blau-weiße und grün-weiße Motorboote, etwa zehn davon waren nebeneinander an der hölzernen Anlegestelle festgemacht, und der Italiener hielt eifrig nach Kunden Ausschau, denn es war ein kühler und recht trüber Morgen. Dickie blickte hinaus auf das Mittelmeer, leicht dunstig lag es da, aber nach Regen sah es nicht aus. Es war jener trübe Dunst, der den ganzen Tag nicht weichen würde und keinen Sonnenstrahl durchließ. Es war etwa halb elf, die

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