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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Faulenzerstunde nach dem Frühstück, und der ganze italienische Vormittag lag vor ihnen.
    »Gut, machen wir. Eine Stunde lang rund um den Hafen«, sagte Dickie und war auch schon in eins der Boote gesprungen. Tom sah an seinem Lächeln, daß er es nicht zum erstenmal tat, daß er sich schon darauf freute, den Erinnerungen an vergangene Vormittage, an einen vergangenen Vormittag nachzuhängen, an einen Vormittag mit Freddie vielleicht oder mit Marge. Die Flasche Kölnisch Wasser für Marge wölbte die Tasche an Dickies Cordjacke. Sie hatten sie vor wenigen Minuten gekauft, in einem Laden auf der Promenade, der einem amerikanischen Drugstore sehr ähnlich war.
    Der italienische Bootsverleiher startete den Motor mit einer Reißleine und fragte Dickie, ob er damit umgehen könnte, und Dickie bejahte. Und da war ein Ruder, ein einzelnes Ruder, es lag unten im Boot, stellte Tom fest. Dickie ergriff die Ruderpinne. In schnurgerader Linie sausten sie davon, in ihrem Rücken entfernte sich die Stadt.
    »Kühl!« schrie Dickie lachend. Sein Haar flatterte.
    Tom sah sich links und rechts um. Ein steil aufragender Felsen auf der einen Seite, er erinnerte sehr an Mongibello, und auf der anderen eine flache Landzunge, deren Konturen in dem Dunst verschwammen, der über dem Wasser lag. Vorerst vermochte Tom nicht zu sagen, in welche Richtung man sich am besten wandte.
    »Kennst du die Gegend hier herum?« übertönte Tom das Brüllen des Motors.
    »Kein bißchen!« sagte Dickie fröhlich. Die Fahrt machte ihm Spaß.
    »Ist das Ding schwer zu steuern?«
    »Überhaupt nicht! Willst du´s probieren?«
    Tom zögerte. Dickie steuerte noch immer geradewegs hinaus auf das offene Meer. »Danke, nein.« Er blickte nach rechts und links. Da links, weit draußen, war ein Segelboot unterwegs. »Wohin fährst du?« rief Tom.
    »Ist das wichtig?« lachte Dickie.
    Nein, es war nicht wichtig.
    Dickie schwenkte plötzlich nach rechts, so plötzlich, daß sie sich beide ducken und hinüberlehnen mußten, um das Boot aufrecht zu halten. Eine Wand aus weißem Gischt stieg links neben Tom in die Höhe und fiel dann langsam in sich zusammen, um den leeren Horizont freizugeben. Jetzt schossen sie wieder über die leere Wasserfläche, auf das Nichts zu. Dickie genoß den Rausch der Geschwindigkeit, er lachte, seine blauen Augen strahlten in die Leere.
    »In so einem kleinen Boot scheint es einem immer viel schneller, als es in Wirklichkeit ist?« schrie Dickie.
    Tom nickte, er ließ ein Lächeln des Verstehens für sich sprechen. Tatsache war, daß er vor Angst und Schrecken zitterte. Gott mochte wissen, wie tief das Wasser hier war. Wenn plötzlich irgend etwas mit dem Boot passierte - es bestand nicht die leiseste Aussicht, daß sie zur Küste zurückkämen, oder jedenfalls, daß er zur Küste zurückkäme. Andererseits bestand aber auch nicht die Aussicht, daß eine Menschenseele sehen konnte, was sie hier taten. Dickie lenkte jetzt allmählich hinüber nach rechts zu der langen Spitze grauverschwommenen Landes, aber er hätte Dickie schlagen können, ihm an den Hals springen können, ihn küssen können oder ihn über Bord werfen können, und niemand könnte es sehen auf diese Entfernung. Tom schwitzte, ihm war heiß unter seinen Kleidern, aber auf der Stirn war es kalter Schweiß. Er hatte Angst, aber nicht vor dem Wasser, es war Dickie, vor dem er Angst hatte. Er wußte, er würde es tun, er würde sich jetzt nicht mehr zurückhalten, vielleicht konnte er sich nicht mehr zurückhalten, und er wußte, es könnte vielleicht schiefgehen.
    »Wetten, daß ich ´reinspringe?« schrie Tom und begann seine Jacke aufzuknöpfen.
    Dickie lachte nur auf diesen Vorschlag von Tom, er lachte mit weit offenem Mund, die Augen auf die vor ihnen liegende Ferne gerichtet.
    Tom zog sich weiter aus. Schuhe und Strümpfe hatte er schon ausgezogen. Unter der Hose trug er die Badehose, wie Dickie. »Ich gehe ´rein, wenn du auch ´reingehst!« schrie Tom. »Willst du?« Er wollte, daß Dickie die Geschwindigkeit verringerte.
    »Ob ich will? Sicher!« Abrupt drosselte Dickie den Motor. Er ließ die Ruderpinne los und zog sein Jackett aus. Das Boot tänzelte, als es nicht mehr vorwärtsgetrieben wurde. »Na los«, sagte Dickie und wies mit dem Kinn auf die Hose, die Tom noch anhatte.
    Tom starrte hinüber zum Land. San Remo war ein Farbklecks aus Kalkweiß und Rosa. Er griff nach dem Ruder, ganz absichtslos, so als spielte er damit zwischen seinen Knien, und als Dickie seine

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