Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley
Hose herunterstreifte, hob er es und ließ es auf Dickies Schädeldecke fallen.
»He!« brüllte Dickie wütend, er rutschte halb von der Holzbank herunter. Seine hellen Brauen hoben sich in benommener Überraschung.
Tom stand auf und ließ das Ruder noch einmal herabsausen, scharf, mit voller Wucht, so wie ein Gummiball zurückschnellt.
»Um Gottes willen!« murmelte Dickie mit stierem Blick, grimmig, aber die blauen Augen verschwammen, er verlor das Bewußtsein.
Tom führte linkshändig einen Schlag mit dem Ruder gegen Dickies Schläfe. Die Kante des Ruders hinterließ eine flache Wunde, die sich mit einem dünnen Blutrinnsal füllte, wie Tom beobachtete. Dickie lag am Boden des Bootes, er wand sich, er wand sich unaufhörlich. Dickie gab ein stöhnendes Brüllen des Protestes von sich, das Tom erschreckte, weil es so laut war und so stark. Tom schlug ihm seitlich auf den Hals, dreimal, hackende Schläge mit der Kante des Ruders, als wäre das Ruder eine Axt und Dickies Hals ein Baum. Das Boot schwankte, und Wasser platschte über Toms Fuß, den er auf den Bootsrand stützte. Er hieb über Dickies Stirn, das Ruder schrammte einen großen blutigen Fleck auf. Einen Augenblick lang spürte Tom Ermattung, während er es hochhob und niederfallen ließ, aber immer noch glitten Dickies Hände über den Boden zu ihm hin, streckten sich Dickies lange Beine in dem Bemühen, ihn anzuspringen. Tom packte das Ruder im Bajonettgriff und trieb die Stange in Dickies Weiche. Jetzt endlich entspannte sich der mißhandelte Körper, lag schlaff und still. Tom richtete sich auf, mühsam nach Luft ringend. Er blickte um sich. Keine Boote, nichts, nur weit, weit weg ein kleines weißes Pünktchen, das von rechts nach links kroch, eine schnelles Motorboot, das der Küste zuschoß.
Er beugte sich hinunter und riß an Dickies grünem Ring. Er steckte ihn ein. Der andere Ring saß fester, aber er ging ab, das blutig gerissene Fingergelenk gab ihn frei. Tom durchsuchte Dickies Hosentaschen. Französische und italienische Münzen. Die ließ er ihm. Er nahm nur ein Schlüsselbund mit drei Schlüsseln. Dann hob er Dickies Jacke auf und nahm das Päckchen mit dem Kölnisch Wasser für Marge aus der Tasche. Zigaretten, Dickies silbernes Feuerzeug, ein Bleistiftstummel, die Brieftasche aus Krokodilleder und mehrere kleine Karten in der inneren Brusttasche. Tom stopfte alles in die Taschen seiner Cordjacke. Dann angelte er nach dem Seil, das um den weißen Zementblock geschlungen war. Das eine Ende des Seils war an dem Eisenring vorne am Bug festgezurrt. Tom versuchte, es loszumachen. Es war ein höllischer, wassergetränkter, unangreifbarer Knoten, jahrelang mußte er da schon gesessen haben. Tom hieb mit der Faust auf ihn ein. Ein Messer hätte er gebraucht.
Er sah hinunter auf Dickie. War er tot? Tom kroch immer tiefer in den spitzen Bug des Bootes hinein und starrte auf Dickie, wartete auf ein Lebenszeichen. Er hatte Angst, ihn anzurühren, Angst, seine Brust oder sein Handgelenk zu fassen, um den Puls zu fühlen. Tom drehte sich um und riß wie rasend an dem Seil, bis ihm zum Bewußtsein kam, daß er es nur immer fester zog.
Sein Feuerzeug. Er fummelte unten im Boot in seinen Hosentaschen nach dem Feuerzeug. Er ließ die Flamme aufspringen und hielt sie unter ein trockenes Stück des Seils. Das Seil war ungefähr vier Zentimeter dick. Es ging langsam, sehr langsam, und Tom nutzte die endlosen Minuten, um sich wieder nach allen Seiten umzusehen. Ob der Italiener mit den Booten ihn auf diese Entfernung sehen konnte? Das steife graue Seil weigerte sich, Feuer zu fangen, es glomm nur und qualmte ein bißchen, und langsam, Faser auf Faser, ging es auseinander. Tom zerrte daran, und sein Feuerzeug erlosch. Er zündete neu und zog immer wieder an dem Seil. Als es endlich zerriß, schlang er es viermal um Dickies nackte Fußknöchel, schnell, ehe er Zeit hatte, richtig Angst zu haben, und er machte einen riesigen, schwerfälligen Knoten, er machte ihn viel zu dick, denn er wollte sicher sein, daß der Knoten nicht wieder aufging, und er war nicht besonders geschickt mit Knoten. Er schätzte das Seil auf etwa zehn bis zwölf Meter. Allmählich gewann er seinen kühlen Kopf zurück, er begann, ruhig und methodisch zu überlegen. Das Zementgewicht müßte gerade ausreichen, um eine Leiche unten zu halten, dachte er. Ein bißchen mochte sie wohl noch abtreiben, aber an die Wasseroberfläche konnte sie nicht heraufsteigen.
Tom warf den Zementblock
Weitere Kostenlose Bücher