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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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ganze Stadt fahren, um zur Via Appia zu kommen. Das ›Hassler‹ ist nur ein paar Straßen weiter von deinem Hotel aus.«
    »Ist er schon jemals umgekippt? Am Steuer eines Wagens?«
    »Hör zu, Dickie, können wir uns treffen? Ich habe jetzt nichts vor, nur daß ich heute das Hotel nicht verlassen darf.«
    »Ich auch nicht.«
    »Ach, was denn! Hinterleg eine Nachricht, wo du zu erreichen bist, und komm ´rüber!«
    »Ich kann nicht, Van. Die Polizei wird in etwa einer Stunde hier sein, und man erwartet, daß ich da bin. Ruf mich doch später noch einmal an. Vielleicht sehen wir uns dann heute abend.«
    »Na gut. Wann?«
    »Ruf mich gegen sechs an.«
    »In Ordnung. Halt den Nacken steif, Dickie.«
    »Gleichfalls.«
    »Bis später«, sagte die Stimme zitternd.
    Tom legte auf. Es hatte sich zuletzt angehört, als ob Van gleich zu heulen anfinge. »Pronto?« sagte Tom und tippte auf die Gabel, um die Zentrale des Hotels zu bekommen. Er gab den Auftrag, daß er für niemanden zu sprechen sei außer für die Polizei, und daß niemand zu ihm vorgelassen werden sollte. Ausnahmslos niemand.
    Danach läutete das Telephon den ganzen Nachmittag nicht mehr. Um acht etwa, als es dunkel war, ging Tom hinunter, um die Abendzeitungen zu kaufen. Er sah sich in der kleinen Halle um und schaute auch in die Hotelbar, die man von der Halle aus betreten konnte, er suchte einen Mann, der nach Van aussah. Er war auf alles gefaßt, er war sogar darauf gefaßt, Marge dasitzen und auf ihn warten zu sehen, aber er sah nicht einmal jemanden, der ein Polizeispitzel hätte sein können. Er kaufte die Abendblätter und setzte sich ein paar Straßen weiter in ein kleines Restaurant, um sie zu lesen. Noch immer keine Anhaltspunkte. Er erfuhr, daß Van Houston ein guter Freund Freddies war, achtundzwanzig Jahre alt. Van und Freddie hatten sich auf einer Vergnügungsfahrt von Österreich nach Rom befunden, die in Florenz hätte enden sollen; Miles und auch Houston hätten in Florenz einen Wohnsitz, schrieb das Blatt. Man hatte drei italienische Jugendliche, zwei Achtzehnjährige und einen Sechzehnjährigen, unter dem Verdacht festgenommen, die »entsetzliche Tat« begangen zu haben, hatte sie aber wieder freilassen müssen. Mit Erleichterung las Tom, daß man auf Miles´ »bellissimo Fiat 1400 convertibile« keinerlei Fingerabdrücke gefunden hätte, die als frisch oder brauchbar anzusehen wären.
    Langsam verspeiste Tom seine costoletta di vitello, schlürfte genießerisch seinen Wein und suchte die Spalten aller Zeitungen nach ›Letzten Meldungen‹ ab, in Italien setzten sie manchmal noch was in die Zeitungen, wenn die Rotationsmaschinen schon liefen. Er fand nichts weiter über den Fall Miles. Aber auf der letzten Seite der letzten Zeitung las er:
    BARCA AFFONDATA CON MACCHIE DI SANGUE TROVATA NELL´ AQUA POCO FONDO VICINO SAN REMO
    Er verschlang es, die Angst würgte ihn stärker als gestern, während er Freddies Leiche treppab getragen hatte, auch stärker als heute, während die Polizei da war, um ihn zu verhören. Dies hier war wie ein Strafgericht, wie ein Wirklichkeit gewordener Alptraum, bis hin zum Wortlaut der Überschrift. Das Boot war in allen Details beschrieben, und er sah alles wieder vor sich, Dickie saß im Heck am Gashebel, Dickie lächelte ihn an, Dickies Leiche versank blasenwirbelnd im Wasser. In der Meldung hieß es, man halte die Flecke für Blutflecke, nicht, es wären welche. Nichts davon, was die Polizei oder sonstwer zu tun gedächte. Aber die Polizei würde etwas tun, dachte Tom. Wahrscheinlich konnte der Bootsvermieter der Polizei das genaue Datum angeben, wann das Boot abhanden gekommen war. Dann konnte die Polizei in allen Hotels nachforschen, wer an diesem Tage eingetragen war. Vielleicht konnte sich der Bootsverleiher sogar noch an die beiden Amerikaner erinnern, die mit dem Boot nicht zurückgekehrt waren. Wenn die Polizei sich die Mühe machte, die Hotellisten aus jenen Tagen zu überprüfen, dann würde ihr der Name Richard Greenleaf wie ein Leuchtsignal in die Augen stechen. In diesem Falle wäre es natürlich Tom Ripley, der fehlte, der an diesem Tage vielleicht ermordet wurde. Toms Phantasie lief in alle vier Winde: angenommen, sie suchten nach Dickies Leiche und fanden sie? Sie würden jetzt annehmen, es sei die Leiche Tom Ripleys. Dickie würde des Mordes verdächtigt. Ergo würde Dickie auch des Mordes an Freddie verdächtigt. Über Nacht würde Dickie zu einer »mörderischen Bestie«. Aber vielleicht

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