Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley
sie rückgängig zu machen. Auf Wiedersehen, Signor Greenleaf!«
»Auf Wiedersehen.« Da stand er nun, als die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte. Er konnte in ein Hotel gehen, dachte er, wenn er der Polizei mitteilte, in welches. Er wollte nicht, daß Freddies Freunde oder irgendwelche Freunde von Dickie zu ihm hereinplatzten, nachdem sie den Zeitungen seine Adresse entnommen hatten. Er versuchte sein Benehmen vom Standpunkt der Polizei aus zu beurteilen. Sie hatten ihn nicht verdächtigt. Er hatte sich nicht entsetzt gezeigt bei der Nachricht von Freddies Tod, aber das paßte zu der Tatsache, daß er ja gar kein so enger Freund Freddies war. Nein, es stand nicht schlecht, allerdings mußte er jetzt auf Draht sein.
Das Telephon läutete. Tom nahm nicht ab. Er hatte das Gefühl, es müßte Fausto sein, der vom Bahnhof aus anriefe. Es war fünf nach elf, und der Zug nach Neapel war weg. Als das Telephon aufhörte zu klingeln, nahm Tom den Hörer ab und wählte die Nummer des »Inghilterra«. Er bestellte sich ein Zimmer und sagte, er würde in etwa einer Stunde dort sein. Dann rief er das Polizeirevier an - er wußte noch, es war Nummer dreiundachtzig -, und nach beinahe zehnminütigen, schwierigen Verhandlungen - es war niemand aufzutreiben, der wußte oder sich dafür interessierte, wer Richard Greenleaf war - gelang es ihm, die Nachricht zu hinterlegen, daß Signor Greenleaf in der »Albergo Inghilterra« zu finden wäre, falls die Polizei ihn zu sprechen wünschte.
Noch ehe die Stunde um war, befand er sich bereits im »Inghilterra«. Seine drei Koffer, zwei davon Dickies, einer sein Eigentum, machten ihn traurig: er hatte sie für einen völlig anderen Zweck gepackt. Und nun das!
Mittags ging er hinaus, um die Zeitungen zu besorgen. Keine Zeitung, die es nicht gebracht hätte: AMERICANO AUF DER VIA APPIA ANTICA ERMORDET . . . ENTSETZLICHER MORD AN RICCHISSIMO AMERICANO FREDERICK MILES VERGANGENE NACHT AUF DER VIA APPIA . . . VIA-APPIA-MORD AN AMERIKANER OHNE SPUREN . . . Tom ließ sich kein Wort entgehen. Es gab wirklich keinen Anhaltspunkt, jedenfalls noch nicht, keine Spuren, keine Fingerabdrücke, keinen Verdächtigen. Aber jede Zeitung schrie den Namen Herbert Richard Greenleaf hinaus und nannte seine Adresse, dort sei Freddie zum letzten Male gesehen worden. Immerhin, nicht eine der Zeitungen gab zu verstehen, daß man Herbert Richard Greenleaf verdächtige. Es hieß in den Berichten, daß Miles anscheinend ein bißchen getrunken hatte, die Getränke, das war typisch italienischer Journalismus, waren genauestens aufgezählt, das ging von Americanos über Schottischen Whisky, Cognac, Champagner bis hin zum Grappa. Nur Gin und Pernod hatten sie ausgelassen.
Tom blieb auch zur Essenszeit in seinem Zimmer, wanderte ruhelos umher und fühlte sich niedergeschlagen und gefangen. Er rief das Reisebüro in Rom an, bei dem er die Fahrkarten nach Palma gekauft hatte, und versuchte, das rückgängig zu machen. Zwanzig Prozent seines Geldes könnte er wiederhaben, sagten sie. Das nächste Schiff nach Palma ging erst in etwa fünf Tagen.
Gegen zwei Uhr brach sein Telephon in schrilles Läuten aus.
»Hallo«, sagte Tom in Dickies nervösem, gereiztem Tonfall.
»Hallo, Dick. Hier ist Van Houston.«
»Oh-h«, sagte Tom, als kannte er ihn, und doch ließ dieses eine Wort kein Übermaß von Überraschung oder Wärme erkennen.
»Wie geht´s? Lange her, nicht?« Die Stimme klang heiser und gepreßt.
»Das kann man wohl sagen. Von wo sprichst du?«
»Ich bin im ›Hassler‹. Habe mit der Polizei Freddies Koffer durchgesehen, Hör mal, ich möchte dich gern treffen. Was war gestern los mit Freddie? Den ganzen Abend habe ich versucht, dich zu erreichen, mußt du wissen, weil nämlich Freddie um sechs wieder im Hotel sein wollte. Ich wußte deine Adresse nicht. Was ist passiert gestern?«
»Ich wünschte, ich wüßte es! Freddie ging gegen sechs. Wir hatten beide einen ganzen Haufen Martinis intus, aber er schien mir durchaus noch fahren zu können, sonst hätte ich ihn selbstverständlich nicht so gehen lassen. Er sagte, sein Wagen stünde vor der Tür. Ich habe keine Ahnung, was passiert ist, vielleicht hat er irgendwen ein Stück mitgenommen und der hat ihm einen Revolver vor die Nase gehalten oder so was.«
»Aber er ist ja nicht erschossen worden. Ich gebe dir recht, irgend jemand muß ihn gezwungen haben, da ´rauszufahren, oder er ist umgekippt, aber schließlich mußte er ja fein säuberlich durch die
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