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Tom Thorne 01 - Der Kuß des Sandmanns

Tom Thorne 01 - Der Kuß des Sandmanns

Titel: Tom Thorne 01 - Der Kuß des Sandmanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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anschaut.
    Er weiß nicht, was er tun soll, der Arme. Er redet so langsam. Er redet und verwendet dabei den Laser-Zeigestab, wie Anne es ihm gezeigt hat, aber ich weiß, er findet es unerträglich. Er war in Bezug auf Krankenhäuser und Blut und das ganze Zeug immer ziemlich mädchenhaft.
    Er meinte, er würde sich wünschen, es wäre ihm statt mir passiert, und das glaube ich ihm auch. Bevor es sich anhört, als würde ich ihn freigeben oder so einen Quatsch, soll er lieber losziehen und sich eine andere suchen. Mir ist es lieber, dass er wieder zu mir zurückkehrt, wenn ich jemals hier rauskomme und mein Leben selbst wieder in die Hand nehme, und ich will mir nicht anhören müssen, was er mit wem hinter meinem Rücken getrieben hat. Die Wahrheit ist simpel. Er erträgt es nicht, mich leiden zu sehen, und ich habe das gleiche Gefühl ihm gegenüber. Er guckt immer völlig zerknittert aus der Wäsche, wenn er da ist, und das ist mein Fehler. Ich bin ein komplett verhunzter Körper und kann keinen Muskel mehr bewegen, und ich sauge ihm sein Leben aus.
    Es wird ihm nicht gefallen. Höchstwahrscheinlich wird er heulen, das Weichei, oder schreien. Aber ich glaube, er wird erleichtert sein, wenn er nach Hause geht und darüber nachdenkt. O Gott, das höchste der Gefühle, unser Trauminsel-Szenario, unsere größte Hoffnung, könnten ein Rollstuhl, ein Computer und ein Lottogewinn sein, damit das alles bezahlt werden kann. Und ich wäre ungefähr so nützlich wie eine Zweijährige. Das wünsche ich niemandem.
    Tim sorgt sich um mich, das weiß ich. Aber ich kann es nicht ertragen, wenn man Mitleid mit mir hat. Liebe ist schön, aber nicht Mitleid.
    Und »sorgen um« ist nicht das Gleiche wie »sorgen für«, oder?
    Also, Tim, suche dein Glück, mein Schatz, und ich entschuldige mich schon im Voraus, wenn die Kirchentür krachend aufspringt und eine Spastikerin mit ihrem Rollstuhl angeeiert kommt, während du eine umwerfende Blondine heiratest und der Pfarrer seinen Spruch: »Wer etwas gegen diese Ehe einzuwenden hat …«, bringt – dann übersieh mich einfach, und mach weiter, als sei nichts geschehen. Wahrscheinlich bin ich eh besoffen …
    Scheiße, hast du gehört, was ich vorhin gesagt habe? »Wenn ich jemals hier rauskomme.«
    Wenn …

Vierzehn
    Die Katze hatte da gesessen und gleichgültig zugeschaut, als ihr geliebtes Frauchen abgeschlachtet worden und wie ein Schwein verblutet war. Nun saß die Katze da und starrte hinauf in das Gesicht des Mannes, der genauso wenig verstand wie sie. Sie hob und senkte sich mit seinem Atem. Sie hob und senkte sich und beobachtete seine Augen. Sie waren geschlossen, aber sie folgte den Bewegungen der Augäpfel, die hinter den Lidern hin und her schossen wie kleine gefangene Tiere. Und nach einem Ausweg suchten, nach einer schwachen Stelle. Köpfe hinter den Lidern, die drohten, durch die papierdünne Haut zu platzen …
    … und Maggie Byrne lächelte und lehnte sich auf dem Bett zurück. Sie zog ihre Schuhe aus und rieb ihre Füße aneinander. Ihre Nylonstrumpfhosen knisterten. Er erzählte etwas – vielleicht einen Witz. Sie warf den Kopf zurück und lachte; der rote Strich unter ihrem Hals klaffte weit auf. Sie wurde rot und griff nach dem Schal, doch er sagte, es sei nicht nötig, aber sie fing bereits an zu weinen. Sie schüttelte den Kopf, schluchzte und versuchte, sich den Schal um den Hals zu binden. Der Schnitt klaffte noch weiter auf, sah aus wie etwas auf der Theke beim Fischhändler. Der nicht allzu schlanke Hals, in Stücke gehackt wie ein Thunfisch. Rosa, dann dunkelrosa und schließlich rot.
    Seine Worte trösteten sie nicht. Er versuchte sie in die Arme zu nehmen, doch sie rutschten an ihrem Hals ab. Seine Hände streichelten ihr Schlüsselbein, seine Finger erforschten das feuchte Innere der Wunde.
    Maggie Byrne versuchte zu schreien, doch aus ihrem Hals drang nur ein Pfeifen.
    Er öffnete die Augen …
    Er hatte nicht geschlafen, und es war kein Traum. Nur eine verwirrte geistige Momentaufnahme. Eine Erinnerung, angepasst und zusätzlich beeinflusst von unangenehmer Vorstellungskraft. Etwas, das in der gräulichen, morbiden Ecke seines Unterbewusstseins lebte und seinen Spaß hatte.
    Er öffnete die Augen …
    Er wartete, bis die Bilder verschwammen und in die Ferne rückten. Sein Herzschlag beruhigte sich wieder. Schweißtropfen verdampften auf seinem Gesicht. Etwas kroch wieder in seine Ecke zurück.
    Bis zum nächsten Mal.
    Er öffnete die Augen und blickte

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