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Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders

Titel: Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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Thornes Augen wie ein Scheißhaus mit rechtsradikalen Tendenzen aussah, verabschiedete sich, um seinen Platz hinter der Tür einzunehmen, von wo aus er alles durch ein Fenster beobachten konnte.
    Palmer war kreidebleich. Er trug den orangefarbenen Kapuzenpulli, den er am Weihnachtsabend in seiner Wohnung angehabt hatte. Langsam blinzelnd musterte er Thorne. Er sah eher aus wie ein Mann, der soeben aufgewacht war, als wie einer, der vorsichtshalber rund um die Uhr überwacht wurde, um einen Selbstmord zu verhindern.
    So aufwändig und zeitraubend es gewesen war, hierher zu kommen, Thorne wollte so schnell wie möglich wieder weg. Er war wirklich nur gekommen, um eine Nachricht zu überbringen.
    »Ich werde Karen suchen«, erklärte er.

 
     
Vierter Teil
     
    Verlangen

Neunzehntes Kapitel
    Palmer wirkte verloren.
    Er blickte um sich, suchte nach etwas Bekanntem, einem vertrauten Orientierungspunkt, von dem aus er sich alles erschließen konnte. Doch alles erschien ihm fremd und unbekannt.
    Thorne beobachtete ihn und versuchte, sich den Mann als Jungen an diesem Ort vorzustellen, als die Welt eine ganz andere war. Dabei war er allerdings nicht erfolgreicher als Palmer bei seinem Versuch, die Vergangenheit dingfest zu machen.
    Was durchaus nachvollziehbar war. Der Bahndamm war nicht mehr zu vergleichen mit dem Bild, das er vor beinahe zwanzig Jahren geboten haben musste. Diese Strecke, die einen Kilometer oder länger am King Edward’s Sportgelände entlanglief, war seit Jahren stillgelegt. Es war für ein Bauvorhaben vorgesehen gewesen, das, zum Glück für das jetzige Unterfangen, nie ausreichend finanziert war. Die Bahngebäude – Wartungshallen und Maschinenlager – waren seit langem eingerissen, die Gleisanlagen demoliert und grasüberwachsen. An manchen Stellen war das Gras über zwei Meter hoch. Palmer war fremd an diesem Ort, den er einst so gut gekannt hatte. Die Handschellen, die er trug, waren auch keine Hilfe.
    Thorne ging hinüber zu ihm, stellte sich an seine Seite. »Irgendwie hab ich das Gefühl, das wird nicht einfach.«
    »Es ist nicht mehr so wie früher, alles hat sich total verändert.«
    »Nichts ist jemals so, wie wir es in Erinnerung haben.«
    »Ich weiß. Aber das hier …« Palmer machte sich auf den Weg zu einer Baumgruppe. Thorne begleitete ihn. Der Himmel war klar, aber in der Nacht hatte es heftig geregnet, und der Wind, der aufgefrischt hatte, blies die Tropfen von dem braunen Farn und den grauen Platanen. Das lange Gras, durch das sie sich ihren Weg bahnten, war schwer und nass. Thorne trug wasserdichte Überhosen, aber Palmers Jeans waren bereits durchnässt.
    »Vielleicht der Bogen, den der Bahndamm beschreibt«, schlug Thorne vor. »Eine auffällige Baumformation. Irgendetwas, um das Gebiet für uns wenigstens etwas einzuschränken.«
    Palmer nickte. »Ich such ja schon.«
    Die Verwirrung war ihm ins Gesicht geschrieben, doch darunter zeigte Palmer denselben grundlegenden Gesichtsausdruck, seinen entscheidenden Ausdruck, den Thorne so oft gesehen hatte. Der ihm an diesem Morgen von den Titelseiten der meisten Zeitungen entgegengesprungen war. Palmer, vor vier Monaten, ein Glas Limo in der Hand, auf einer zweifelsohne grässlichen Büroparty. Ein Schnappschuss, der ihn mit weit aufgerissenen Augen und vom Blitzlicht roten Pupillen zeigte, wie er sich in einer Ecke verkroch und sich größte Mühe gab, so zu tun, als amüsiere er sich prächtig – vergebens.
    Thorne tippte auf Sean Bracher als Quelle des Fotos. Hätte er diesen Schleimscheißer in dem Augenblick vor sich gehabt, hätte er seinen Sarkasmus nicht verhehlen können, doch er brachte nicht die Energie auf, sich groß aufzuregen. Bracher war wie dieses Zimmermädchen im Hotel, schlug Geld aus Mord, verdiente was nebenbei. Ein eselohriger Schnappschuss. Ein netter neuer Sportwagen und ein paar Wochen auf Antigua mit der Freundin. Es war nur ein Foto. Scheiß drauf, warum nicht …
    Derselbe Gesichtsausdruck jetzt, während Palmer sich umblickte.
    Es fiel Thorne wie Schuppen von den Augen, was dieser Ausdruck bedeutete. Es war Palmer peinlich. Peinlich, auf dieser Party zu sein. In die Polizeiwache zu marschieren und einen Mord zu gestehen. Peinlich, hier zu sein. Thorne dämmerte, dass sich Palmer so gut wie nirgends wohl in seiner Haut fühlte.
    Palmer stöhnte leise; sich zu orientieren fiel ihm immer schwerer. Und Thorne schoss durch den Kopf, dass sich sogar die Jahreszeiten gegen ihn verschworen hatten – gegen sie

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