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Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes

Titel: Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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Halb sechs, New-Covent-Garden-Blumenmarkt …«

17. Juli 1976
    Eine halbe Stunde war vergangen, seit er die Geräusche gehört hatte. Das laute Stöhnen, das Schreien und das Klirren zerbrechenden Glases. Er hörte ihre Schritte oben, als sie über das knarrende Dielenbrett lief, das zu reparieren er nie Zeit gefunden hatte. Von ihrem Schlafzimmer ins Bad und wieder zurück.
    Diese halbe Stunde hatte er gebraucht, um sich zu überwinden, von der Couch aufzustehen und nachzusehen, was los war. Sich nicht bewegen. Kräfte sammeln. Sich sammeln, vor dem Wagnis, nach oben zu gehen …
    Vor dem Fernseher sitzen und sich fragen, wie lange das noch so gehen sollte. Der Arzt hatte gemeint, dass sich die Situation, falls sie weiter ihre Tranquilizer nahm, bald beruhigen würde, aber davon war nichts zu spüren. In der Zwischenzeit blieb alles an ihm hängen. Alles. Sie war nicht dazu in der Lage, in Geschäfte oder in die Schule zu gehen. Herr im Himmel, sie war seit über einer Woche nicht mehr heruntergekommen.
    Er schleppte sich langsam zum Treppenabsatz, lauschte, beobachtete und spürte, wie alles zerfiel.
    Sie hatten ihm freigegeben, aber das Krankengeld würde nicht ewig reichen, und sie verdiente nichts mehr, und die Schulden begannen so schnell zu wachsen wie das Misstrauen. Explodierten wie der Argwohn, der sich in den feuchten, finsteren Ecken ihres Lebens breit machte. Seit dem Moment, als der Sprecher der Geschworenen aufstand und sich räusperte.
    Er ging ins Schlafzimmer, spürte den Teppich unter seinen Füßen knirschen. Sah sein verzerrtes Spiegelbild ein Dutzend Mal in den Spiegelscherben, sah hinüber auf das Bett, wo sie lag, nichts als ein Häufchen Elend zwischen den Bettdecken. Er wandte sich um und ging den Weg zurück, den er gekommen war. Zurück über das knarrende Dielenbrett.
    Der Boden im Bad war rutschig, überall Reste von weißer Gesichtscreme. Er stieg über pissefarbene Parfümpfützen. Stieß die kaputten Fläschchen in die Ecken.
    Das ganze Zeug, dessen Zweck es gewesen war, angenehm und verführerisch zu duften, vermischte sich auf unnatürliche Art und Weise auf dem Boden und an den Wänden – ihm wurde übel …
    Aus Angst, sich übergeben zu müssen, ging er hinüber zum Waschbecken. Es war bis zum Rand voll mit den Fläschchen und Tuben aus dem Schränkchen darüber, das leer geräumt war.
    Rouge und Lippenstift und Lidschatten, verschmiert auf dem Porzellan.
    Der Abguss voller Lotionklümpchen, als handle es sich dabei um Giftmüll.
    Überall Klumpen und Spritzer und Pfützen von Puder, Shampoo und Badeöl.
    Ihre exklusiven Seifen gegen die Wände geschmettert. Die Rigipsplatten voller Dellen, rosa wie Babys, blau wie Blutergüsse. Der Spiegel zersprungen und voll gespritzt mit Nagellack, rot wie Blut …
    Er ließ Wasser in diesen Parfümmorast laufen, wusch sich das Gesicht. Überall die Abdrücke ihrer Hände in Puder, die Spuren ihrer Finger in bunter Bodylotion. Ihre Spuren in allem, was sie loszuwerden versuchte.
    Es war doch prima gelaufen, bis es herausgekommen war, oder! Solange das Geheimnis gewahrt blieb zwischen Franklin und ihr. Jetzt fraßen ihre Schuldgefühle sie auf. Raubten ihr den Verstand oder brachten sie dazu, dies vorzutäuschen, was letztlich egal war.
    Eine halbe Minute später ging er wieder die Treppe hinunter und dachte: Sie log, sie log, sie log, sie log …
    SIE LOG .

Siebtes Kapitel
    Thornes Begeisterung für Eve Bloom wäre wohl schnell abgeflaut, wäre sie ein Morgenmensch gewesen – eine dieser höchst unangenehmen Nervensägen, die selbst noch zu nachtschlafender Zeit putzmunter durch die Gegend hüpften. Doch zu seiner Erleichterung fand er sie in einer ruhigen Ecke. Sie hielt sich an einem Styroporbecher mit starkem Tee fest und verzog das Gesicht. Ganz klar, sie fühlte sich genauso mies wie er, wie ein aufgewärmter Scheißehaufen …
    Thorne warf sein Mienenspiel an und zwang sich zu einem Lächeln. »Und ich hab gedacht, das macht Ihnen Spaß.« Sie bedachte ihn mit einem viel sagenden Blick. »Angefeuert von dem Lärm und der Pracht der Farben, hin und weg von dem Duft der tausend Blumen …«
    »Quatsch«, brummte sie.
    Leicht fröstelnd rieb sich Thorne die Arme durch die Ärmel seiner Lederjacke hindurch. Es mochte ja der wärmste Sommer seit Jahren sein, aber zu dieser frühen Morgenstunde war es noch ausgesprochen frisch.
    »Büßt die Floristerei etwa ihren Reiz ein?«
    Laut schlürfend nahm sie einen Schluck aus ihrer Tasse.

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