Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tom Thorne 04 - Blutzeichen

Titel: Tom Thorne 04 - Blutzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
Vom Netzwerk:
Verstehen Sie? Sie haben eine feine Hautschicht von einer anderen Stelle abgetragen, dabei war es so gut wie unmöglich, eine Narbenbildung zu verhindern. Inzwischen haben sie künstliche Haut, die sie für eine zeitlich begrenzte Verpflanzung einsetzen können. Das ist Wahnsinn. Die wird aus Haihaut und Silikon hergestellt. Damals … Ich klinge schon, als würde das alles hundert Jahre zurückliegen … Damals hat man Haut von toten Spendern verwandt. Schon beim bloßen Gedanken daran wird einem ganz anders. Die Haut eines Toten.
    Die Haut einer Leiche. Am Hals meines Mädchens. Auf ihrem Gesicht ….
    Heute können sie Haut im Labor züchten. Sie können sie richtig wachsen lassen. Haut, die dem, womit wir geboren wurden, so verdammt nahe kommt, wie es nur geht. Die genauso dick ist wie menschliche Haut, das ist der entscheidende Schritt nach vorne. Sie nennen sie ›unsterbliche Haut‹. ›Unsterbliche Haut‹, weil die Zellen nie zu wachsen aufhören. Niemals. Wussten Sie, dass es nur eine in der Natur vorkommende m enschliche Zelle gibt, für die Unsterblichkeit als normal betrachtet wird? Raten Sie mal! Die Krebszelle …
    Jetzt haben sie unsterbliche Haut …«
    Endlich legte er eine Pause ein.
    Thorne trat einen halben Schritt auf ihn zu. »Ian …«
    »Die Bösen haben Narben. Monster und Mörder im Kino und im Fernsehen. Das Phantom von der Scheißoper und Joker und Freddy Krueger.«
    »Vielleicht können wir Ihnen helfen, das alles hinter sich zu lassen«, sagte Thorne.
    Falls Clarke hörte, was Thorne sagte, ging er bewusst nicht darauf ein.« Als ob man eine Maske trägt, die man nie abnehmen kann »«, sagte er. »Jess schrieb das in ihrem Tagebuch.«
    »Ich hab’s gelesen …«
    Clarke sah auf, seine Augen glänzten, seine Stimme klang plötzlich rau, gebrochen. »Was sie über die Party geschrieben hat? Erinnern Sie sich an den letzten Eintrag, über die Rede, die bestimmt jemand an ihrem Geburtstag halten würde? Genau das hatte ich vor. Genau das. Bis hin zu den müden Witzen …«
    Es fiel Thorne schwer, ihm in die Augen zu sehen, wie er es in dem Haus nahe dem Wandsworth Common getan hatte. Er blickte langsam zu Boden. Vorbei an den Fäusten, die sich um den Kranz krallten, an denen die Knöchel so weiß hervortraten wie die Blütenblätter, die auf Ian Clarkes Füße gefallen waren.

Dreiundzwanzigstes Kapitel
    »Du bist ein Idiot, Tom.«
    »Prost. Danke …«
    »Du bist ein verdammter Idiot.«
    »Carol …«
    Der Schock, Chamberlain fluchen zu hören – was nicht jeden Tag vorkam –, linderte auf gewisse Weise das niederschmetternde Urteil.
    Zugleich schaffte es Chamberlain mit ihrer kernigen Charakteranalyse, das Gespräch abzuwürgen. Die Luft zwischen ihnen war zum Schneiden. Nachdem sie eine halbe Minute damit verbracht hatten, verbissen Bierdeckel zu zerreißen und jeglichen Augenkontakt zu vermeiden, hob Thorne sein leeres Glas. Ohne den Blick vom Hinterkopf des vollkommen fremden Nebenmannes zu nehmen, nickte Chamberlain. Sie schob ihr leeres Weinglas über den Tisch.
    Thorne ging zur Bar hinüber und bestellte ein Guinness und ein Glas Rotwein.
    Sie waren im Angel in der St. Giles High Street. Das auf eine sympathische Weise heruntergekommene und altmodische Pub stand auf oder in der Nähe des Platzes, an dem sich vor einigen hundert Jahren eine Taverne an der Straße vom Gefängnis von Newgate zu den Galgen in Tyburn befunden hatte. Zur letzten Reise der zum Tode Verurteilten, die diese durch die heutige Oxford Street führte, gehörten eine Einkehr in dieser Taverne und ein Getränk auf Kosten des Hauses. Die stehende Redewendung dabei lautete, der Kunde könne »auf dem Rückweg« zahlen.
    Thorne bezahlte mit einer Zehn-Pfund-Note und erwartete nicht viel Wechselgeld. Das Konzept eines freien Getränks auf Kosten des Hauses gehörte einem vergangenen Zeitalter an, so wie die Pocken oder die Presspatrouille. Heute könnte man auf allen vieren in ein Pub kriechen und nur noch zwei Minuten zum Leben haben und sich glücklich schätzen, wenn man auf dem Tresen eine Schüssel mit kostenlosen Erdnüssen fände.
    Wer mit der Geschichte des Pubs vertraut war, wusste auch, dass der Brauch, für den es einst berühmt gewesen war, die bei Wirten wie Säufern gleichermaßen beliebte Redewendung hervorgebracht hatte. Thorne ging zurück zum Tisch und stellte die Gläser ab. »One for the road«, sagte er.
    Chamberlain verstand die Anspielung. Sie schaffte es, gleichermaßen nachsichtig und

Weitere Kostenlose Bücher