Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tom Thorne 04 - Blutzeichen

Titel: Tom Thorne 04 - Blutzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
Vom Netzwerk:
nicht nur ein postkoitaler Lapsus war?«
    Thorne schüttelte den Kopf. »Ehrlich, ich habe keine Ahnung.« Und so war es. »Da war nur einfach dieses starke Gefühl, dass sie es wissen sollte.«
    »›Dass sie es wissen sollte‹ oder dass du es ihr sagen solltest? Das könnte in dem Moment für dich auf dasselbe hinausgelaufen sein.«
    »Ich fühlte mich gut dabei, als ich es ihr sagte. Das geb ich zu.«
    »Und jetzt?«
    Jetzt ließ sich mit damals nicht vergleichen. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, dabei waren es keine drei Wochen, dass er mit Alison Kelly geschlafen hatte. Und erst zehn Tage, dass sie Billy Ryan eine Klinge in den Bauch gerammt hatte. Jetzt schien alles unendlich wirr und unklar. Damals war es ganz einfach gewesen. Damals hatte es nur Licht und Schatten gegeben und die einfache Wahl zwischen den harten Fakten und dem Nicht-Wissen.
    Thorne blinzelte, bevor er Chamberlains Frage beantwortete. Die Inschrift auf einem der Grabsteine fiel ihm ein, an dem er vor ein paar Stunden auf Billy Ryans Beerdigung vorbeigelaufen war.
    Im Leben, im Tod, im Dunkel, im Licht. Wir befinden uns stets in Gottes Hand.
    Angeblich war alles ganz einfach. Das Leben war das Licht und der Tod die Dunkelheit. Aber für einige Seelen stellte sich die Lage etwas komplizierter dar. Ryans Leben, das ließ sich kaum bezweifeln, war ein Leben im Dunkel gewesen. Ein Leben in der Dunkelheit und für die Dunkelheit. Thorne selbst war sich nicht so sicher, auf welcher Seite er selbst im Augenblick stand.
    »Jetzt? Ich wünschte mir, ich hätte den Mund gehalten«, sagte er. »Nicht wegen Ryan …«
    »Wegen ihr.«
    »Sie wird lange sitzen müssen.«
    »Bei der Verhandlung wird einiges zu ihren Gunsten gewertet werden …«
    »Sie wird lange sitzen. Und sie ist nicht hart im Nehmen, weißt du. Sie hält sich anscheinend für hart. Sie hat sich dafür entschieden. Für das Gefängnis.«
    »Genauso wie unser Freund Gordon Rooker«, meinte Chamberlain. »Vielleicht sollten wir mehr für die abschreckende Wirkung der Gefängnisse tun.«
    »Stimmt.« Die Antwort kam automatisch, sie bedeutete nichts. Für Alison Kelly würde es schlimm genug werden.
    Chamberlain stellte ihr Glas zur Seite und beugte sich vor.
    »›Sie entschied sich für das Gefängnis.‹ Das hast du selbst gesagt. Du hast ihr die Waffe nicht in die Hand gedrückt, Tom …«
    »In gewisser Weise schon.« Er nippte an seinem Guinness. Es schmeckte nicht wirklich besser. »Hat nicht mal wer gesagt, Wissen sei gefährlich?« Ihm wurde leicht schwummrig zumute. Sein Atem ging schwerer.
    Und er dachte: Wissen ist ein Messer …
    »Durchaus möglich«, sagte Chamberlain. »Wahrscheinlich irgendein Klugscheißer.«
    Ihre mürrische Miene und die Art, wie ihr weicher Yorkshire-Akzent kongenial zu diesem Wort passte, brachten Thorne zum Lachen. Der dunkle Schleier um ihre Köpfe, der die gute Stimmung erstickt hatte, die normalerweise zwischen ihnen herrschte, war aufgerissen.
    »Wie sieht’s eigentlich mit deinem kalten Fall aus? Dem durchlöcherten Wirt?«
    »Das war kein Wirt. Es ist auf dem Parkplatz vor einem Pub passiert, und ›kalt‹ beschreibt den Fall nicht annähernd. An dem Scheißding hängen schon die Eiszapfen runter. Na ja, ich kann auch nicht behaupten, dass ich ihm meine ungeteilte Aufmerksamkeit geschenkt habe.«
    »Vielleicht kannst du dich jetzt besser darauf konzentrieren.«
    »Vielleicht.«
    Thorne berührte sie mit seinem Glas an der Hand. »Billy Ryan. Jessica Clarke. Du musst loslassen.«
    Ihre Augen wurden ganz groß. »›Loslassen‹. Genau. Und die Namen Bishop, Palmer und Foley bedeuten dir gar nichts …«
    Thorne rieb sich über den stoppeligen Bart, und seine Gedanken wanderten zu den Fällen, die Chamberlain ansprach. Fälle, die Spuren hinterlassen hatten. Tiefe Spuren, aber noch immer frisch in ihrer Rohheit. Wie hatte es eine Fünfzehnjährige ausgedrückt? »Wie eine Maske, die man nicht abnehmen kann.«
    »Ich glaube«, sagte er nach einer Weile, »es war angenehmer, als du mich beschimpft hast.«
     
    Die U-Bahn-Station an der Tottenham Court Road war für sie beide ideal. Thorne nahm die Northern Line hinauf nach Kentish Town. Chamberlain konnte am Oxford Circus umsteigen und hatte von dort nur noch zwei Stationen zur Victoria Station, um den letzten Zug zurück nach Worthing zu erwischen.
    Sie liefen an der Kirche von St. Giles in the Field vorbei, die Anfang des zwölften Jahrhunderts als Hospital für Aussätzige errichtet worden

Weitere Kostenlose Bücher