Tom Thorne 04 - Blutzeichen
ändern die Routen, um sich die Einwanderungsbehörden vom Hals zu halten, doch es gibt ein paar Knotenpunkte – Moskau, Budapest, Sarajevo gehören zu den zentralen Nexus.«
Thorne lächelte. Die zentralen Nexus! Nick Tughan war nicht der Typ, der sich mit dem zweiten Platz zufrieden gab. Thorne wäre nicht überrascht gewesen, wenn er zum weißen Brett marschiert wäre und die Worte wie ein Lehrer angeschrieben hätte.
»Aber Istanbul ist der wichtigste. Es liegt genau auf der direkten Route von den meisten Ausgangsländern in den Westen.«
»Und die Zarif-Brüder haben eine Menge Freunde und Kontakte dort«, warf Brigstocke ein.
Holland rieb sich die Augen. »Und wenn wir da einsteigen?«
»Ich sagte bereits«, erklärte Tughan, »die Schmuggler sind nicht dumm.«
Und ich auch nicht, dachte Thorne. »Und sie haben auch die Wahl«, sagte er. »Sie können es über einen der wichtigen Häfen riskieren oder über eine Hintertür, zum Beispiel Irland. Noch eine Route ist zurzeit beliebt – über Holland und Dänemark, dann hinüber zu den Färöer Inseln, die Shetlands und rein nach Schottland.« Thorne war sich nicht sicher, ob die kurze Pause, die sich an seine Ausführung anschloss, vom Nachdenken oder vom Staunen herrührte.
Yvonne Kitson brach das Schweigen. »Alles klar«, attackierte sie ihn mit gespielter Aggressivität. »Von welchem Planeten kommen Sie, und was haben Sie mit Tom Thorne gemacht?«
DC Richards – der walisische Langweiler, der es so genossen hatte, seine Rede über die »konzentrischen Kreise« zu halten – würgte das Gelächter ab, bevor es richtig begonnen hatte. »Wie gehen wir nun vor, Sir? Betreffend die Zarifs und Billy Ryan?«
Tughan schenkte ihm ein schmales Lächeln. Er war dankbar, dass einer der seinen den Stab an ihn zurückgegeben hatte. Denn da gehörte er hin. »Das ist nicht einfach. Denn beide Seiten haben Grund genug, sich die nächste Zeit bedeckt zu halten. Die Zarifs wissen, dass wir ihren Schmuggel unter die Lupe nehmen werden, und die Ryans haben jede Menge Immigranten, die sie loswerden müssen.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Memet Zarif und seine Brüder sich lange bedeckt halten«, warf Thorne ein. »Das wollen die Ryan heimzahlen. Ihn treffen, und zwar richtig …«
Tughan dachte kurz darüber nach. »Vielleicht, aber ich glaube, wir haben etwas Zeit. Ich möchte ihnen richtig auf die Füße treten. Machen wir es ihnen schwer, ihren Geschäften nachzugehen.« Er deutete auf Holland und griff dessen Formulierung auf. »Machen wir ihnen das Leben schwer …«
Thorne wusste, dass »auf die Füße treten« im Wesentlichen Festnahmen bedeutete, oder zumindest Schikanen, die sich auf die kleinen Fische konzentrierten: die Drogendealer, Schuldeneintreiber – diejenigen, die sich in DC Richards’ äußeren Kreisen bewegten. Das kostete Zeit, Leute, und vor allem, fand Thorne, traf es nicht die, auf die sie es eigentlich abgesehen hatten. Die Strategie konnte unter bestimmten Umständen zum gewünschten Erfolg führen, aber in diesem Fall gab es einfach schon zu viele Tote. Außerdem kam er sich vor wie der König der Steuereintreiber, und das gefiel ihm nicht. Er wollte Billy Ryan und den Zarifs wehtun, nicht nur ihrer Brieftasche.
»Sie sind nicht überzeugt, Tom?«, fragte Tughan. Offensichtlich verriet ihn seine Miene, wie üblich.
Thorne hasste es, wenn alle Augen auf ihm ruhten und sich der eine oder andere, dem es selbst am nötigen Mumm oder Verstand fehlte, sich zu Wort zu melden, kaum die Mühe machte, einen Seufzer zu unterdrücken. »Wir wollen einen Mörder fassen«, sagte er, »aber alles, was wir tun, ist, seine Kreditkarten zu zerschneiden, während wir darauf warten, dass er erneut zuschlägt. Ihm ein paar Kröten abnehmen …«
Tughan reagierte bemerkenswert ruhig, ja geradezu sanft. »Wir haben es hier nicht mit normalen Verbrechern zu tun, Tom. Diese Männer sind keine gewöhnlichen Mörder.«
Thorne tauschte mit Brigstocke ein Achselzucken und mit Dave Holland einen bedeutungsvollen Blick aus. »Zum Teufel damit.« Natürlich hatte Tughan Recht, aber deswegen war er keinen Deut glücklicher.
Thorne hätte niemals geglaubt, dass der Tag kommen würde, aber er begann sich langsam nach einem anständigen, ehrlichen Psychopathen zu sehnen …
Thorne hatte eine SMS von Phil Hendricks erhalten. Er wolle die Nacht bei Brendan bleiben. Thorne schrieb ihm zurück und entschuldigte sich für sein Verhalten am vorigen Abend. Er
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