Tom Thorne 04 - Blutzeichen
Privatschulakzent und einem Pferd. Jetzt bin ich eine etwas besser bezahlte Rechtsanwaltsgehilfin mit einem nicht mehr ganz so hörbaren Akzent, und ein Pferd besitze ich nicht mehr. Und ich bin noch immer draußen. Aber …«
»Aber?«
Lächelnd griff sie nach ihrem Drink. »Ich habe noch immer ein paar Freundinnen, die absolut drinnen sind.« Sie leerte ihr Glas. »Ein paar Mal im Jahr treffen wir Mädels uns und machen uns einen netten Abend. Sie wissen, wie das läuft – nettes Restaurant, jede Menge Alkohol, und ich jammere über die Arbeit, und sie jammern darüber, wie lange ihre Männer und Freunde im Knast sitzen.«
»Klingt ja richtig gemütlich …«
»Eine oder zwei kennen vielleicht den einen oder anderen Polizeibeamten ganz gut und können um einen Gefallen bitten. Es gibt Schwierigeres, als die Telefonnummer eines Bullen rauszufinden.«
»Das sollte mich schockieren «, sagte Thorne, »aber ich muss ständig an die nächste Runde denken.«
Sie griff nach Thornes leerem Glas und schob den Stuhl zurück. »Dasselbe noch mal?«
Während der nächsten Stunde redeten sie darüber, wie schwer es sei, die Erwartungen anderer zu erfüllen oder nicht zu erfüllen – ein Thema, über das sie beide etwas zu sagen wussten.
Thorne gestand ihr, dass er, wenn er der Typ wäre, der tat, was man von ihm erwartete, oder wenigstens, wozu man ihn ermutigte, nicht hier mit ihr bei einem Glas säße.
Alison erzählte Thorne von ihrer Weigerung, nichts zu arbeiten und sich mit dem Geld ihres Vaters ein schönes Leben zu machen. Sie erzählte ihm, wie sie ihre Mutter auf die Palme gebracht hatte, weil sie sich von ihr keinen Laden kaufen lassen wollte.
»Hört sich ganz so an, als ob Sie versuchten, sich zu distanzieren«, sagte Thorne. »Von dem Geld. Als glaubten Sie, es sei dafür verantwortlich, was mit Jessica geschah.«
Eine leichte Röte überzog ihr blasses Gesicht. »Wäre mein Dad nicht der gewesen, der er war, das gewesen, was er war, dann wäre das nicht passiert. Das ist eine Tatsache …«
Sie nahmen beide einen Schluck, um die kurze Pause zu überspielen, die sich daran anschloss. Inzwischen trank sie Weißwein. Thorne trank ein weiteres Guinness.
»Warum haben Sie Billy Ryan geheiratet?«, fragte er.
Sie dachte kurz darüber nach. Die Stimmen der neuesten Boygroup aus der Jukebox in der Bar nebenan überlagerten die üblichen Pubgeräusche, das Geplauder und Gelächter.
»Das hört sich an wie ein Scherz«, sagte sie. »Aber damals schien es eine gute Idee.«
»War er … Mitte dreißig?«
»Älter. Ich war erst achtzehn.«
»Wer zum Teufel hat das dann für eine ›gute Idee‹ gehalten?«
Sie lächelte. »Meine Mum schon mal nicht. Sie fand, der Altersunterschied sei zu groß. Billys Sohn war schließlich nur zehn Jahre jünger als ich. Aber Dad war ganz dafür. Ich glaube, es gab mehr Leute, die das für eine prima Idee hielten, ein paar von den alten Jungs, die schon länger dabei waren. Obwohl Dad damals schon einige Jahre draußen war und Billy den Laden schmiss, glaubten einige, das sei eine gute Möglichkeit, um … eine Brücke zu bauen oder was in der Richtung. Die alte Garde und die neue Garde.«
»Das hört sich an, als sei das arrangiert gewesen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, ich hätte diese Entschuldigung. Ich würde gerne sagen, ich heiratete ihn, um alle glücklich zu machen. Mir war klar, dass das bis zu einem gewissen Grad auch so war. Aber die Wahrheit ist einfach, ich liebte ihn.« Sie hielt inne, schien aber noch etwas sagen zu wollen. Sie suchte nach den richtigen Worten. »Er hatte etwas Beeindruckendes damals.«
Thorne dachte an den Billy Ryan, den er erst vor kurzem gesehen hatte. Nicht wenige würden ihn noch immer als beeindruckend beschreiben, aber als liebenswert?
»Was ging schief?«
Sie nahm einen großen Schluck Wein. »Nichts … eine Weile. Na ja, ich meine, ich kam nie klar mit Stephen, der schon damals ein richtiger kleiner Mistkerl war, aber das war nicht das Problem. Das Problem war Billy. Er hatte zwei Seiten …«
Thorne nickte. Er kannte eine Menge Leute mit ungeahnten Seiten …
»Da war eine Seite«, sagte sie, »die wollte nur Spaß haben. Er mochte es, wenn uns Freunde besuchten oder wir auf Partys gingen. Er nahm mich in die ganzen Clubs mit. Es gefiel ihm, sich schick anzuziehen und sich in der Gesellschaft von Schauspielern und Popstars zu brüsten. Er liebte es …«
»Ich wette, die Schauspieler und Popstars standen
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