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Tom Thorne 04 - Blutzeichen

Titel: Tom Thorne 04 - Blutzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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passiert war. Sie hatten die ganze Woche über per Telefon und SMS witzige Bingo-Reime ausgetauscht.
    Hendricks stand auf, um die nächste Runde zu holen. Als er sich zum Tresen umwandte, griff er sich an den Sack und roch an seiner Hand. »Zweimal die Drei, das stinkt für zwei …«
    Thorne sah sich um. Das Pub war für einen Dienstagabend gerammelt voll. Wahrscheinlich waren die meisten hier Mediziner, da das Krankenhaus so nah war. Die mussten wohl auch Stress abbauen …
    Er suchte – vergeblich – nach weiteren Bingo-Reimen, als ein frisches Bier vor ihm auf dem Tisch abgesetzt wurde.
    »Weißt du eigentlich, dass der Körper nach dem Tod an Gewicht verliert?«, sagte Hendricks.
    »Klingt verlockend …«
    Hendricks setzte sich und zog seinen Stuhl näher an den Tisch. »Nein, ernsthaft, du wiegst tot ein bisschen weniger, als wenn du lebendig und putzmunter bist.«
    Thorne griff nach seinem Glas. »Findest du das nicht etwas übertrieben? Nur um abzunehmen …«
    »Halt die Klappe, vielleicht lernst du dann was. Der Gewichtsverlust kann alles vom Bruchteil eines Gramms aufwärts betragen. Um die sechzehn Gramm ist der Durchschnitt.« Hendricks schüttelte den Kopf und trank von seinem Lager. »Die Studenten heute machten in etwa so eine interessierte Miene wie du.«
    »Also los, was ist der Grund dafür?«
    »Das kann dir niemand hundertprozentig sagen. Wahrscheinlich hängt’s mit der Luft in den Lungen zusammen. Aber jetzt kommt der Clou …«
    »Ach, es gibt einen Clou?«
    »Früher dachte man, das Gewicht der Seele würde den Unterschied ausmachen.«
    Der Satz beeindruckte Thorne. Er nickte. Wollte mehr darüber hören.
    »Im achtzehnten Jahrhundert bauten sie ausgetüftelte Waagen, um Schwerkranke kurz vor und nach dem Tod zu wiegen.« Hendricks ließ die Worte wirken. Genoss seine Geschichte. »Das war damals eine Mordssache – der Versuch, die Seele zu wiegen, wenn sie den Körper verlässt. Der Versuch, sie zu isolieren. In Amerika machten sie um 1900 herum ähnliche Versuche, und es gibt ein berühmtes Experiment in Deutschland, das gerade mal fünfundzwanzig Jahre zurückliegt …«
    Das überraschte Thorne. Hundert Jahre oder mehr, da kamen einem bei so einer Theorie schnell ein paar Verrückte in merkwürdigen Klamotten in den Sinn, die ihren Mambo Dschambo für die große Wissenschaft hielten. Aber vor fünfundzwanzig Jahren?
    »Aber es ist doch bloß die Luft in den Lungen, oder?«
    »Davon geht man aus«, sagte Hendricks. »Außer man setzt auf die Theorie mit der Seele …«
    Thorne schmunzelte über den Rand seines Glases hinweg. »Hast du zu trinken angefangen, bevor du mit der Arbeit fertig warst, oder was?«
    Eine Weile tranken sie schweigend. Thorne fühlte sich bereits leicht benommen. Er hatte noch nicht viel Bier getrunken, es musste daher mehr an der Müdigkeit liegen.
    Bilder entstanden in seinem Kopf, lösten sich auf und formten sich erneut. Tote und lebendige Körper und Waagen. Männer in Perücken und Kitteln, die riesige Gewichte auf Hebelwaagen luden und den Todeskampf der nach Luft ringenden, aschfahlen Sterbenden überwachten, Zahlen in Notizbücher kritzelten. Ihre aufgerissenen Augen von ihren Zahlenkolonnen nach oben richteten, weit über ihre primitiven Laboratorien hinaus …
    Thorne sah zu Hendricks. Das Grinsen und der abwesende Ausdruck waren Zeichen, dass sein Freund wieder über Zahlen und Reime und schmutzige Witze nachdachte.
     
    Hampstead Heath war nur ein paar Stationen von Kentish Town West entfernt. Sie waren unterwegs zur Station, als Thornes Handy läutete.
    »Tom …?«
    Thorne sah mit erhobenen Augenbrauen zu Hendricks. »Mensch, Carol, das ist ein bisschen spät für dich, oder?«
    »Ich weiß, es tut mir Leid, ich konnte nicht schlafen.«
    »Du hast doch keine Anrufe mehr bekommen?«
    »Nein, nichts in der Richtung …«
    Ein riesiger Lastwagen donnerte an ihnen vorbei, und Thorne entging, was Chamberlain als Nächstes sagte. Eine Pause entstand, in der jeder von ihnen darauf wartete, dass der andere sprach.
    »Ich hab nur angerufen, um zu hören, wie es dir geht.«
    »Mir geht’s gut, Carol …«
    »Das ist schön …«
    »Es läuft alles gut. Bei dem Fall hat sich, seit wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben, nicht viel getan. Aber es wird.« Er hatte sofort gewusst, dass es das war, was sie wirklich wissen wollte. »Es tut mir Leid«, sagte er. »Ich wollte anrufen.«
    »Sei nicht blöd. Ich weiß, dass du zu tun hast. Hör mal, ich

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