Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes
eines anderen jungen Mannes, diesmal in Uniform. Der mit großen Augen in die Kamera schaute und leichthin lächelte, als spiele es keine große Rolle, was die Zukunft brachte.
Thorne rappelte sich hoch. »Sieh dir das an.« Er glättete die Zeitung und reichte sie ihm.
Maxwell betrachtete das Foto, las sich den Aufruf darunter durch und gab Thorne die Zeitung zurück. Sein Gesichtsausdruck sprach Bände. Er war sich nicht sicher, was er sich ansehen oder was er erkennen sollte.
»Könnte er das sein?«, fragte Thorne.
Maxwell nahm sich das Foto erneut vor. »Der Typ da?«
»Könnte das unser Detective Sergeant Trevor Morley sein?«
»Wie alt ist das Foto denn?«
»Schau es dir einfach an, Bren …«
Maxwell tat wie geheißen. Atmete tief und langsam aus …
Thorne trat zu ihm und deutete mit dem Kinn auf das Foto. »Es wurde gemacht, als er Ende der Achtziger in die Army eintrat.« Plötzlich fiel ihm die digital gealterte Version ein, die am Abend zuvor im Fernsehen gezeigt worden war. Von der Hendricks erzählt hatte. »Hast du dir gestern Abend nicht Crimewatch angesehen?«
»Ich war unterwegs«, sagte Maxwell.
»Scheiße …«
»Ich war unterwegs auf den Straßen. Ich hab gearbeitet. Was dagegen?«
»Stell ihn dir einfach zwanzig Jahre älter vor, okay? Er müsste jetzt Ende dreißig sein. Die Haare länger, logisch. Einen Bart. Haarfarbe und Teint müssten hinkommen, nach dem, was du gesagt hast.«
»Rotblond, grau meliert. Und die Sommersprossen sind dunkler, das ist normal …«
»Schau dir den Mund an«, sagte Thorne. »Das Lächeln müsste gleich geblieben sein.«
»Vielleicht. Ja … das könnte er sein.«
»Könnte er sein oder ist er?«
Maxwell deutete auf die Seite. »Das Gesicht ist etwas voller geworden und nicht mehr so glatt. Er hat nicht direkt Falten, sondern Linien, harte Linien. So Richtung wettergegerbt.«
Das reichte …
Thorne wusste, sie hatten einen Riesenfehler begangen. Sie hätten zumindest diese Möglichkeit in Betracht ziehen müssen. Natürlich hatte alles auf den Mann hinter der Kamera hingedeutet, aber sie hatten alles genau falsch interpretiert.
»Ich bin’s …«
»Was?« Maxwell wandte sich um in der Annahme, Thorne rede mit ihm. Doch dann sah er, dass Thorne sein Handy ans Ohr hielt.
»Wir waren Idioten, Russell«, sagte Thorne. »Ryan Eales ist nicht der Nächste auf der Liste. Er ist der Typ, der die Liste abarbeitet …«
Ryan Eales wandte sich halb um, lehnte sich gegen den Durchgang zwischen Küche und Wohnraum. »Glück gehabt, dass ich genau in dem Moment zurückkam. Als Sie draußen in dem Wagen saßen.«
»Irgendwann hätten wir schon bei Ihnen geklopft«, sagte Mackillop.
»Vielleicht hätte ich nicht aufgemacht.«
Was verständlich gewesen wäre, fand Mackillop. Alles in allem war es ziemlich gut gelaufen. Gut möglich, dass, wenn niemand geöffnet und der Mann im Erdgeschoss sich als der von Eales beschriebene Kiffer erwiesen hätte, niemand mehr hergekommen wäre. Mackillop lachte. »Dann sollten wir wohl dankbar sein, dass Ihnen die Kekse ausgegangen sind.«
»Genau …«
Plötzlich schlug das Wetter erneut um. Die Sonne strömte durch das große Erkerfenster und die kleinere Dachluke beim Bad herein und brachte die weißen Wände und das honigfarbene Parkett zum Leuchten. Von seinem Standpunkt bei der Treppe aus sah Mackillop zwei Paar Stiefel blitzen, die auf Hochglanz poliert nebeneinander zwischen Bett und Schrank standen. Er sah einen ordentlichen Stapel Magazine unter dem Nachtkästchen und frisch gebügelte, akkurat gefaltete Hemden auf einem Stuhl neben der Badezimmertür. »Man sieht, dass hier jemand wohnt, der bei der Army war«, sagte er.
Eales fand das anscheinend witzig. »Wieso?«
»Die Stiefel.« Mackillop deutete auf die zwei Paar. »Wie sie dort stehen. Wie alles hier ein System hat. Die ganze Wohnung ist ordentlich und gut organisiert.«
»Das bringt man uns dort bei.«
»Muss aber ganz schön anstrengend sein.«
»Nicht wirklich«, sagte Eales. »Man erledigt die Dinge auf eine bestimmte Weise, weil es Sinn macht. Organisation und Ordnung machen alles einfacher.«
Mackillop ließ sich das durch den Kopf gehen. »Ich hab mir selbst überlegt, zur Army zu gehen, bevor ich zur Met ging. Kurz zumindest.«
»Sie wären gut gewesen.«
»Glauben Sie?«
»Klar doch, wenn Sie ein guter Bulle sind.«
»Ich bin erst auf dem Weg dazu«, sagte Mackillop. Er spürte, wie er rot wurde. Er sah sich noch einmal um.
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