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Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes

Titel: Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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montiert war, und begann, sie zuzuknoten. »Das ist so bizarr …«
    »Was?«
    »Weißt du, was ich als Erstes mache? Vor allem mit den Jüngeren? Ich bringe sie erst mal auf den Boden der Realität. Die kommen frisch an und glauben wirklich, hier liegt das Geld auf der Straße. Ich schwör’s dir. Ich muss ihnen dann so sanft wie möglich beibringen, dass sie damit komplett falsch liegen. Dass sie dumm sind. Normalerweise eine Zeitverschwendung, aber auch wenn sie mich zum Teufel jagen, finden sie selbst schnell genug heraus, was Sache ist.« Er deutete auf das hohe, schmutzige Fenster, das sich hinter einem Metallgitter befand. »Die Straße da draußen ist mit Hundescheiße und Verzweiflung gepflastert. Wie sieht’s bei dir aus?« Er musterte Thorne. »Du bist schon auf dem Boden der Realität, oder?«
    »Nicht wirklich.«
    Maxwell stellte die Mülltüte ab. Er zog eine Rolle aus seiner Tasche und riss eine neue ab. »Phil glaubt übrigens, bei dir sei ’ne Schraube locker.«
    »Ich weiß.«
    »Nicht dass ich das anders sehe. Was soll diese De-Niro-Nummer?«
    »Diese was?«
    »Du weißt schon, was ich meine …«
    »Was hast du eigentlich? Ich hab ein Handy bei mir, und ich trage eine Thermounterhose.«
    Maxwell grinste. »Ist ja gut. Aber du könntest es dir trotzdem ein bisschen leichter machen. Zum Beispiel die ersten paar Nächte in einer Notunterkunft pennen.«
    »Die Männer, die umgebracht wurden, waren alle auf der Straße. Sie sind draußen krepiert.« Der Duft von warmem Essen aus der Cafeteria stieg Thorne in die Nase. »Und wenn ich es schon mache, dann sollte ich es verdammt noch mal auch machen . «
    Maxwell griff nach der vollen Mülltüte und ging zur Tür. »Ich will dich nicht nerven, Tom, und ich bin immer für dich da, wenn du mich brauchst, aber überleg es dir. Und wenn du noch so sehr glaubst, du müsstest das hier durchziehen, du kannst jederzeit damit aufhören.« Er öffnete die Tür, hielt dann inne und drehte sich noch einmal um. »Wälz dich ruhig ein bisschen im Dreck, und pof auf einem Karton. Aber vergiss nicht, du hast jederzeit die Option abzuhauen, wenn dir danach ist. Wann immer du willst. Spring in ein Taxi, und fahr zurück in deine Wohnung und zu deiner Cowboymusik.«
    Obwohl Thorne etwas angenervt war, musste er schmunzeln. Cowboymusik . Das kam von Hendricks. »Ich seh dich dann oben«, sagte er. »Ich esse lieber noch einen Happen, bevor ich losziehe.«
    Maxwell nickte und trat hinaus in den Gang. »Das Stew ist gut …«
     
    Ein idealer Platz, so schien es.
    Drei Schritte vom Bürgersteig weg und relativ geschützt. Allerdings war es schon etwas merkwürdig, umgeben von riesigen Schwarzweißfotos von Schauspielern und Pressezitaten in großen Lettern zu schlafen, die deren Können und Witz beweisen sollten. Solange er wartete, bis die Vorstellung vorbei war und das Theater seine Pforten schloss, würde ihn wohl niemand stören. Und in der Regel blieben Theater vormittags geschlossen, im Gegensatz zu den meisten Läden.
    Zwei Tage noch bis zum September. Die Nacht war relativ mild, doch kaum lag er eine halbe Stunde hier, war sein Hintern schon abgestorben, und er hatte das Gefühl, ein Toter drücke ihm die Füße in den Nacken.
    Thorne zog seinen Schlafsack hoch und lehnte sich gegen die Türen. Bereits vor einer Stunde war er zum Umfallen müde gewesen, schließlich war er auch seit vier Uhr auf den Beinen. Trotzdem war er jetzt, nachdem er diesen Platz im Theatereingang gefunden hatte, entsetzlich wach. Er überlegte, ob er nicht seine Sachen zusammenpacken und weiterlaufen sollte. Aber er wollte diesen Platz nicht verlieren. Er hatte zuvor einen oder zwei Typen in der Gegend herumschleichen sehen, die ganz danach aussahen, als suchten sie ein geeignetes Plätzchen für die Nacht. Eine Sekunde lang dachte er, ein Buch könnte ihm helfen einzuschlafen. Doch dann fiel ihm ein, wo er war und was er tat. Ihm dämmerte, dass die ersten Tage wohl geprägt wären von derartigen Momenten von Verlangen und plötzlicher Erkenntnis. Von dem ständigen Gefühl, ein Weichei und Blödmann zu sein.
    Von der Erinnerung an die tausend Alltäglichkeiten, ohne die er nun zurechtkommen musste.
    Musik, Fernsehen, ordentliches Essen. Doch darum ging es nicht wirklich. Er würde essen. Und im Tageszentrum gab es einen Fernsehapparat, falls ihn das unerträgliche Bedürfnis überkam, Richard und Judy zu sehen. Noch zwei unfreiwillig komische Langweiler. Er musste sich daran gewöhnen,

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