Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes
Ermittlungsergebnisse für seinen Bericht, und wir sollten in den nächsten ein, zwei Tagen von ihm hören. Er vertritt die These, der Mörder sei vielleicht früher selbst obdachlos gewesen.«
»Und worauf gründet er das?«
»Der Mörder weiß offensichtlich Bescheid über das Leben auf der Straße.«
»Weil er ein paar Penner aufgetrieben hat? Die sind nicht gerade unsichtbar, Russell.«
»Wenn er selbst in dieser Welt gelebt hat, sich einmal ohnmächtig und an den Rand gedrängt gefühlt hat und dem irgendwie entkommen ist, dann kann es durchaus sein, dass er diesen Teil seines Lebens auslöschen möchte. Dass er demonstrieren will, dass er jetzt am Drücker ist. Das Geld ist das Symbol dafür. Wie viel mehr er wert ist als sie.«
Thorne warf ihm einen zweifelnden Blick zu, bis Brigstocke schließlich einlenkte und grinste, als sei er selbst nicht ganz überzeugt davon.
»Und mein Bericht ist im Papierkorb gelandet?«, fragte Thorne.
Sie liefen in den Park und erreichten die Fußballplätze.
Das Flutlicht war eingeschaltet, und sie blieben stehen, um einem Spiel zuzusehen.
»Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, ob diese Undercoversache was bringt«, sagte Brigstocke.
Thorne, der sich aus einer Laune heraus für das Team in Rot entschieden hatte und sie anfeuerte, stöhnte laut auf, als ein Gegner besonders ungeschickt in einen seiner Spieler hineingrätschte. »Das hat wehgetan …«
»Tom?«
Thorne hatte ihn sehr wohl gehört. »Ich versteh nicht, was Sie mit ›ob das was bringt ‹ meinen.«
»Bekommen Sie wirklich mehr aus den Leuten raus als wir?«
»Was ist mit der Information, die ich aus diesem Arsch Moony rausbekommen habe?«
»Jemanden zu bedrohen ist kein Kunststück.«
Wie aufs Stichwort entflammte ein Streit zwischen mehreren Spielern im Mittelkreis. Jedes Atemwölkchen war deutlich erkennbar, als sie sich mit wüsten Beschimpfungen bombardierten. Thorne und Brigstocke sahen zu, bis sie sich sicher waren, dass es zu keiner Schlägerei kommen würde.
»Ich sag ja nur, dass wir uns vielleicht damit beschäftigen sollten«, sagte Brigstocke. »Es sind bereits drei Wochen …«
»Gebt mir eine Chance.«
»Ich bekomme Druck von oben.«
Thorne riss sich vom Spiel los und sah zu Brigstocke. »Ich hab keine Ahnung, ob irgendjemand irgendwas weiß«, erklärte er. »Und ich erwarte nicht, dass jemand sich verplappert, weil er ein bisschen zu tief in die Flasche geguckt hat. Trotzdem glaube ich, dass wir jemanden dort brauchen. Allein dadurch, dass ich mit den Leuten lebe, lerne ich eine Menge, was uns meiner Meinung nach weiterbringt. Mann Gottes, wenn Sie schon auf Ihren Profiler vertrauen …«
»Bis zu einem bestimmten Punkt.«
»Man kann nie wissen. Sollte er tatsächlich Recht haben, dann könnte ich durch mein Leben auf der Platte eine Vorstellung davon bekommen, wie der Mörder denkt. Wetten, dass er das für eine gute Idee hält?«
Diese Unverfrorenheit verfehlte nicht ihre Wirkung. »Sie sind wohl nie um eine Antwort verlegen? Sie wissen immer, wo Sie einhaken können?«
»Wenn’s sein muss.«
Thorne wandte sich wieder dem Spiel zu. Das Team in Rot musste zwei idiotische Tore einstecken.
»Ich muss zurück«, sagte Brigstocke. »Ich muss auf so einen blöden Elternabend.«
Thorne blieb noch eine Weile. Er war der einzige Zuschauer.
Zur Halbzeit lief der pummelige linke Verteidiger des roten Teams gemächlich an den Rand des Spielfelds. Sein Gesicht war rot und schweißnass, und die Speckpolster auf Brust und Bauch zeichneten sich unter seinem Nylonhemd ab. Thorne sah ihm durch den Drahtzaun zu, wie er pfeifend nach Atem rang und sich räusperte, wie er sich dann auf die Knie fallen ließ, um auf den Kunstrasen zu spucken.
Ein Zeitpunkt so gut wie jeder andere, um sich auf den Weg zurück ins West End zu machen. Als er aufbrach, dachte sich Thorne: Ich weiß, wie du dich fühlst, Kumpel.
Vierzehntes Kapitel
Erstaunlich, wo man überall kostenlos Essen erhielt, wenn man zur richtigen Zeit am richtigen Ort war.
Spike hatte ihm ziemlich früh alle Tricks verraten, was Thorne eine gewisse Hochachtung abnötigte. Sich all diese Namen und Orte zu merken. In London konnte man an jedem beliebigen Tag in Dutzenden von Kirchen, Herbergen und Straßencafés umsonst frühstücken, zu Mittag oder zu Abend essen. Einige dieser Suppenküchen funktionierten nach einem Gutscheinsystem, und bei anderen gab es Essen, so lange der Vorrat reichte. In manchen bekam man eine richtige
Weitere Kostenlose Bücher