Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders
gemeint, wenn ich fahre, dann hofft er, dass ich die Freisprechanlage angeschaltet habe.«
Thorne fuhr wieder schneller, als sie auf freier Strecke waren, und verzog den Mund. »Er weiß, dass Sie nicht allein sind …«
Fünf Minuten später bog er in einen schmalen Weg ein. Er war zugewuchert und voller Pfützen. Das Auto ratterte über ein Rindergitter und folgte dem Weg dann den Hügel hinunter und nach rechts, bis etwa dreißig Meter entfernt ein Haus im Scheinwerferkegel auftauchte.
»Das ist es …«
Es entsprach nicht dem, was Thorne erwartet hatte. Es war kein Cottage im landläufigen Sinn. Es war nicht gerade klein und sah auch nicht alt aus. Aber abgelegen war es. Nicht gerade ein Schmuckkästchen, für bestimmte Dinge jedoch ideal gelegen.
Thorne fuhr nur noch Schritttempo, als sie das Haus erreichten. Unten brannte in zwei Zimmern das Licht.
»Was tun wir jetzt?«, fragte Maggie Mullen.
»Sie werden jetzt an der Haustür klopfen. Los, sagen Sie schön Hallo zu Ihrem Geliebten.«
»Und Sie?«
»Ich hab absolut keine Ahnung«, sagte Thorne. Er stellte das Auto ab, stieg aus und ging los, ohne es zuzusperren. Hundertfünfzig Meter vom Haus entfernt im Schatten stehend beobachtete er Maggie Mullen, wie sie zur Haustür ging. Er sah die Haustür auf- und sie langsam und steif hineingehen.
Dann rannte er schnell zur Rückseite des Hauses.
Dort war es stockdunkel. Er stieß sacht eine niedrige Gartenholztür auf, die sich feucht und verrottet anfühlte. Dahinter war Gestrüpp. Er stieg darüber und fand sich in kniehohem, nassem Gras wieder. Nachdem sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte Thorne die Mauer erkennen, die an manchen Stellen höher war und den Garten von den Feldern trennte.
Er blieb in der Nähe des Hauses, außer als er an einem langen Metalltrog vorbeimusste und an etwas, das wie ein altes, mit Steinen und Erde gefülltes Emailspülbecken aussah. Er tastete sich vorsichtig an der Mauer entlang. Dabei blieb er mit der Hand an etwas hängen. Er schnappte nach Luft und wischte sich das Blut an der feuchten Hose ab.
Hinter dem Cottage befanden sich ein verrosteter Tisch und Stühle. Eine Sammlung von Vogelhäuschen. Eine Wäschespinne, die kaum über das meterhohe Gestrüpp hinausragte.
Thorne drückte die Nase gegen das Fenster eines kleinen Anbaus. Er konnte die Teller und Pfannen auf einem Abtropfständer sehen, die Digitalanzeige an einer Mikrowelle. Und einen Lichtschlitz auf dem Boden.
Die hintere Tür war offen.
Porter fiel ihm ein, die auf seinen Anruf wartete. Das Handy, das auf dem Fahrersitz im Auto lag …
In den ein, zwei Sekunden zwischen dem Griff nach der Türklinke und dem Nachgeben der Tür dachte er an die vielen Male, die er vor einer vergleichbaren Entscheidung gestanden hatte. Als er hin- und hergerissen war, der Vernunft zu folgen oder »Scheiß drauf« zu sagen. Und er sich fast immer falsch entschieden hatte.
Er gab der Tür einen Schubs.
Und trat in die dunkle Küche. Er huschte zu der Tür, unter der das Licht durchdrang. Und lauschte. Obwohl keine Stimmen zu hören waren, hatte die Stille etwas Angespanntes, als befänden sich Leute auf der anderen Seite der Tür.
Er wartete.
Fünf Sekunden … zehn.
Dann hörte er eine Stimme, die er bereits kannte. »Lieber Gott, jetzt hören Sie auf mit dem Theater, und kommen Sie rein.«
Thorne kam der Aufforderung nach, langsam. Er wurde noch langsamer, als er sah, was ihn erwartete. Er ging langsam, Schritt für Schritt, während seine Gedanken rasten, die optischen Eindrücke verarbeiteten und Fragen stellten.
Wo ist der Junge?
Mann, Frau, Seil, Messer …
Wo ist der verdammte Junge?
Siebenundzwanzigstes Kapitel
»Mir war klar, dass sie lügt.«
»Peter …«
»Von wegen sie käme allein.« Lardner rückte seine Brille mit dem Fingerknöchel zurecht. »Ich hab es in ihrer Stimme gehört, so hell und klar wie eine Glocke.« Er lachte. »Ich meine, ich hab sie ja oft genug lügen gehört, oder? Wenn sie nackt neben mir auf dem Bett lag und ihrem Alten aufgebunden hat, sie wär in einem Meeting …«
Das Gedankenkarussell in Thornes Kopf hatte sich so weit beruhigt, dass er in der Lage war, eine Antwort zu formulieren. »Sie hat eine ganze Reihe Leute angelogen«, sagte er. Er sah zu einem mit einem Abdecktuch vor Staub geschützten Sessel unter einem kleinen Fenster vor ihm, in dem Maggie Mullen saß. Sie wich seinem Blick aus. Ihre Augen flogen zwischen Lardner und der ein paar Meter
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