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Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders

Titel: Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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umkehren.
    Der Arsch mit dem Schläger hatte sich offensichtlich bis zu diesem Moment als Sieger gesehen, weil der Schläger ihm den entscheidenden Vorteil gibt. Und er keine Hemmungen hat, ihn einzusetzen. Dadurch fühlt er sich mutiger, als ihm gut tut. Doch dann sieht er die Knarre und macht sich in die Hose.
    Der Typ macht sich in die Hose. Oder so gut wie, nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen. Als er den Baseballschläger auf den Boden legt, die Hände hebt und sagt: »Schon gut, Kumpel, nichts passiert.«
    Natürlich war die Knarre nur ein Nachbau, und, ob echt oder nicht, vielleicht hat ihm nur die Knarre den Respekt eingebracht, aber trotzdem. Das war nicht das Entscheidende. Das Hochgefühl, als er wieder ins Auto stieg, war umwerfend. Noch nie zuvor hatte er so was erlebt. Und es blieb. Er spürte es in jeder Pore, als er an den Bussen vorbeisauste und durch die Pfützen preschte, bis zu dem Augenblick zwanzig Minuten später, als die Scheiße dampfte …
    Auf der anderen Seite war der Junge unter der Tüte wach. Er erkannte es an seiner Körperhaltung, der Art, wie er den Kopf drehte und das Gesicht gegen die Tüte drückte.
    »Hast du Hunger?«
    Sie hatten lange darüber diskutiert, ob sie ihn knebeln sollten, und Amanda war am Ende dagegen. Vielleicht war es auch etwas übertrieben. Schließlich war der Junge ohnehin die meiste Zeit mit Drogen abgefüllt. Und selbst wenn er bei sich war, wären sie sofort bei ihm, falls er versuchen würde, um Hilfe zu schreien.
    »Willst du etwas essen?«
    Der Junge sagte nichts, obwohl er reden konnte. Er ignorierte einfach die Frage und blieb aus irgendeinem Grund stumm. Als wolle er protestieren oder so was. Oder ein Spiel spielen.
    Er hielt sich wohl für schlau.

Mittwoch

Viertes Kapitel
    Sein Vater hatte sich angewöhnt, ihn in den frühen Morgenstunden zu besuchen.
    Seit er die Rückenprobleme hatte, wachte Thorne irgendwann nach fünf Uhr morgens auf. Dann lag er im Dunkeln, in der bequemsten Stellung, die er bislang gefunden hatte – die Knie an die Brust gedrückt –, und dachte an seinen alten Herrn. Manchmal gelang es ihm, wieder einzuschlafen, und dann waren ihre Treffen seltsamer, fruchtbarer, da er in den ein, zwei Stunden vor dem Aufstehen stets träumte.
    In den Träumen war Jim Thorne, wie er in den letzten Phasen seiner Alzheimererkrankung gewesen war, in den sechs Monaten, bevor er in dem Feuer umkam. Irgendwie typisch für seinen Vater, fand Thorne, so exzentrisch und stur. Warum konnte er sich nicht jünger durch seine Träume bewegen? Oder klarer und weniger verquast? Stattdessen gab sich sein Vater streitlustig und unflätig, holzte zerstreut und wütend durch ihre Gespräche, ohne Sinn und Verstand.
    Hilflos …
    Häufig tat er nichts, als auf Thornes Bettkante zu sitzen und ihn mit Fragen zu löchern. Genauso wie am Schluss. Die Missachtung sozialer Gepflogenheiten war Hand in Hand gegangen mit einer Obsession für banale Details, Listen und Quizfragen.
    »Nenn mir zehn Kampfflugzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg. Wie heißen die drei größten Seen der Welt? Süßwasserseen, wohlgemerkt.«
    Nach seinem Tod waren noch Multiple-Choice-Fragen hinzugekommen.
    »Was war die Ursache für das Feuer, das mich umbrachte? (A) Unfall oder (B) Brandstiftung?«
    An dieser Stelle wachte Thorne gewöhnlich auf. Die Frage beschäftigte ihn dann noch lange. Die Gefühle, die sie in ihm aufwühlte, waren unmissverständlich, jedoch schwer zu benennen oder zu greifen. Nicht direkt Scham, aber etwas in der Art. So wie »sich etwas einfangen« mit der Krankheit selbst insofern zusammenhängt, als dass die Symptome irgendwann zu Tage treten. Er brachte die Morgenrituale wie ein Roboter hinter sich – Waschen, Frühstücken, Anziehen –, bis die Erinnerung an den Traum schwand. Er spürte beim Rasieren das Wasser heiß auf seiner Haut und das Müsli als Stein im Magen.
    Er hatte Phil Hendricks gestern Abend in ein Minicab gesetzt. Das Angebot, auf dem Couchbett zu schlafen, hatte natürlich wie immer bestanden, aber Hendricks wollte nach Hause. Er hatte schnell aufgehört, große Töne zu spucken, er wolle noch jemand für die Nacht finden, der den Platz seines Freundes einnehmen würde. Das Bier hatte die Tünche fortgewaschen, er habe sich mit dem Verlust abgefunden, und am Ende eines langen Abends war er wieder ein Häufchen Elend und wollte nur nach Hause in seine Wohnung, für den Fall, dass Brendan doch zurückgekommen war.
    Thorne stand in seiner Küche

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