Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders
Mann, Jack, war ein begeisterter Klassikhörer.
»Ich weiß, du hörst das nur ungern, aber ich glaube, Jesmond liegt da nicht falsch. Ich kann mir die beiden nicht als Kidnapper vorstellen.« Sie hielt inne. »Ich nehme an, niemand hat Grant Freestone erwähnt, oder?«
»Sollten sie?« Thorne notierte sich den Namen.
»Na ja, vielleicht nicht alle. Aber es überrascht mich schon, dass der Name überhaupt nicht auftaucht.«
»Ich höre.«
»Freestone vergriff sich an mehreren Kindern. Um 1993 oder 1994. Jungen wie Mädchen. Ich glaub nicht, dass er es so genau nahm. Er hielt sie in einer Garage hinter seiner Wohnung gefangen.«
Hielt sie gefangen …
Thorne versuchte, das Bild zu verscheuchen, wie eine Tüte sich über das Gesicht eines Jungen senkte.
»Ich hatte nur kurz mit dem Fall zu tun«, sagte Chamberlain. »Aber Tony Mullen steckte tief in dem Fall drin. Vielleicht war es sogar er, der Freestone verhaftete. Es war allgemein bekannt, dass es schnell ziemlich hässlich wurde, dass Freestone ab dem Moment, in dem er hochgenommen wurde, bis er in den Knast marschierte, mit Drohungen um sich warf.«
»Drohungen gegen Mullen?«
»Er kann auch anderen gedroht haben, das weiß ich nicht mehr. Aber an die Drohungen gegenüber Mullen erinnere ich mich noch. Ich war einmal im Gericht dabei, und ich sehe noch den Blick, mit dem Freestone Mullen ansah, nicht unbedingt aggressiv, aber … Also ich kann mich noch gut daran erinnern, also …«
»Danke, Carol. Ich überprüf das.«
Ein, zwei Sekunden lang sagte sie nichts, dann wurde die Musik leiser. »Das kann ich doch für dich tun.«
Langsam unterstrich Thorne Grant Freestones Namen. »Ich dachte, du müsstest die Katzen entwurmen.«
»Das hör ich gar nicht. Nein, ernsthaft, Tom, warum soll ich mich nicht ein bisschen umhören und dir berichten?«
Thorne entging die Veränderung in Chamberlains Stimme keineswegs. Ihre Arbeit für AMRU war unregelmäßig und oft frustrierend. Er wusste, wie sehr sie es genoss, sich nützlich zu machen. Wie willig sie war, sich kopfüber in etwas zu stürzen, in irgendwas. Und er wusste, dass sie noch immer über ein großes Netzwerk an Kontakten verfügte und dass sie verdammt gut arbeitete. Gut möglich, dass sie viel mehr herausfand, als eine Computerabfrage ergeben würde.
»Also, Jack läuft seit Jahren mit einem kaputten Rücken herum«, sagte sie. »Er hat da was ganz Fantastisches, mit dem er sich abends einreibt. Nächstes Mal bringe ich dir was mit.«
»Danke.«
»Damit wär dir doppelt geholfen.«
Thorne dachte an das Video, den Mann mit der Spritze. Ob es sich dabei um denselben Mann handelte, an dessen Gesichtsausdruck sich Carol Chamberlain nach einem Dutzend Jahren noch erinnerte? Einen Mann, der bereits früher Kinder entführt und festgehalten hatte?
Er griff mit der einen Hand nach dem abgelegten Sandwich. Mit der anderen begann er, auf dem Blatt zu kritzeln.
Einen Kasten nach dem anderen, um den Namen des Mannes zu zeichnen.
Conrad
Ihm war schon vor langer Zeit klar geworden, dass beinahe alles auf Fische und Teiche hinauslief. Darauf, was für ein großer Fisch man war und wie groß der Teich war, in dem man herumschwamm. Das und natürlich Zeit. Ihm war klar geworden, dass Zeit schwer zu verstehen war.
Natürlich war er nie dazu gekommen, das Buch von diesem Typen im Rollstuhl zu lesen. Der durch diese Maschine sprach, die er erfunden hatte, und der wie ein Außerirdischer klang. Auch wenn er es gelesen hätte, hätte er es nicht verstanden, das war ihm klar. Aber es wäre sicher interessant gewesen. Zeit war einfach faszinierend. Was sie mit einem anstellte. Dass die Rückfahrt immer kürzer war als die Hinfahrt. Dass die erste Sommerurlaubswoche Ewigkeiten zu dauern schien, während die zweite wie im Flug verging und vorbei war, bevor die Haut sich schälte. Wie die Zeit sich endlos dehnte, wenn man auf etwas wartete.
Es schien noch keine fünf Minuten her, seit Amanda zu ihm getanzt war und ihm ihre Titten entgegengestreckt hatte. Seit sie glücklich gewesen war, ihn ranzulassen für ein paar Bacardi Breezer und das Versprechen, ihr einen Gefallen zu tun. Fünf Minuten … sechs Monate … was auch immer … und nun saßen sie hier und füllten einen Jungen mit Drogen ab. Saßen rum und warteten darauf, dass etwas passierte.
Um ehrlich zu sein, ihm wäre es lieber, das zu tun, was sie zuvor getan hatten. Es war einfach – rein und raus – und wenn jemand dabei verletzt wurde, dann nur,
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