Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders
und war einfach nicht kräftig genug.« In Erwartung einer weiteren Frage sah er zu Hignett. »Nicht dass sie schwach gewesen wäre, schon gar nicht für einen Junkie. Sie hatte klar definierte Muskeln …«
»Luke Mullen treibt in der Schule Sport«, sagte Hignett. »Ich denke, wir können davon ausgehen, dass er, Messer hin oder her, stark genug ist, eine Frau zu überwältigen.«
Thorne reichte es. »Können wir das?« Er biss die Zähne zusammen und spürte, wie ihm das Blut in den Kopf rauschte, als sich einige nach ihm umwandten. »Jeder hat Sport an dieser Schule, aber das heißt längst nicht, dass der Junge besonders sportlich ist … oder kräftig. Er hatte an dem Morgen, an dem er entführt wurde, einen Streit mit seinem Vater, weil er es nicht ins Rugbyteam geschafft hatte.«
»Wir zeigen nur verschiedene Möglichkeiten auf«, sagte Hignett. »Wenn wir dies als mögliche Erklärung ausschließen könnten, würden wir das auch tun.« Er deutete auf Hendricks, der anscheinend unsicher war, ob er sich wieder setzen sollte. »Glauben Sie mir, keine dieser Antworten gefällt mir.«
»Gut.« Thorne bemühte sich, versöhnlich zu klingen. »Für mich klingt das nur so, als gäbe es hier bereits Festlegungen.«
Hignett nickte, doch in seiner Stimme machte sich plötzlich ein unangenehm scharfer Unterton bemerkbar. »Diese Einheit hatte bisher keinen vergleichbaren Fall. Entführungen, die mit Mord endeten, hatten wir genug. Mehr als genug. Aber bislang war in jedem Fall die Geisel das Opfer. Dass die Kidnapper als Leichen enden, ist schon sehr ungewöhnlich. Ich hoffe, Sie verzeihen uns daher, dass wir in diesem Stadium sämtliche Möglichkeiten in Betracht ziehen …«
»Aber Sie ziehen eben nicht alle Möglichkeiten in Betracht …«
»Sie sind es doch, der sich hier bereits festgelegt zu haben scheint. Sie scheinen sich doch nicht um die Beweislage zu scheren.«
Thorne spürte alle Augen auf sich gerichtet. Die von Brigstocke und Porter. »Und ob ich das tue. Ich streite die Fingerabdrücke und alles andere doch nicht ab. Aber ich frage mich auch, warum die Wohnungstür zugesperrt war. Warum Luke Mullen sich plötzlich dazu entschließen sollte, seine Entführer umzubringen, um anschließend hinaus in die Nacht zu laufen, dabei aber große Mühe darauf zu verwenden, die Tür hinter sich zuzusperren.«
»Das beziehen wir in unsere Überlegungen ein.«
»Vor allem aber frage ich mich, wo er steckt. Warum hat er sich nicht mit uns oder seiner Familie in Verbindung gesetzt?«
Zwei Reihen weiter vorn meldete sich ein SO7-Mann zu Wort. »Vielleicht weil er gerade zwei Leute umgebracht und nun Angst hat, sich zu melden.«
Porter räusperte sich. »Oder weil er sich nicht melden kann.«
Thorne hegte keinen Zweifel daran, dass Hignett der Typ war, der genau wusste, wie er mit seinem Team umgehen musste. Anscheinend fiel es ihm nur nicht ganz so leicht, mit einer derart ungewohnten Situation zurechtzukommen, weshalb er den Blick Brigstockes suchte. Als wolle er ihn bitten, die Wogen zu glätten.
Für Thorne ein Zeichen der Hoffnung.
Wieder trat Brigstocke vor, bedeutete Phil Hendricks, sich zu setzen, und sah Thorne durchdringend an, bevor er anfing zu sprechen. Bevor er versuchte, die Besprechung voranzutreiben. »Wie DCI Hignett sagte, ist das hier für uns alle Neuland. Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als in den Apfel zu beißen und zu schauen, ob er sauer ist. Oder wo der Wurm steckt. Und ich bin mir sicher, dass wir Fehler machen werden. Was die Richtung unserer Ermittlung angeht: Wir orientieren uns an der Beweislage, wie immer. Und das bedeutet, wir müssen auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass Luke Mullen seine Kidnapper umgebracht haben könnte – aus welchen Gründen auch immer. Aber wir ermitteln ebenso intensiv in Richtung eines Szenarios, in dem eine – bislang unbekannte – dritte Partei involviert ist, die Allen und Tickell umbrachte, Luke schnappte und ihn nun an einem anderen Ort festhält.« Er sah zu dem SO7-Mann. Der schien einverstanden und drängte, weiterzumachen.
»Also gut und nun zur Praxis«, sagte Hignett. Er wandte sich an seine eigenen Beamten. »Eine gute Nachricht für die Kollegen unter euch, die weiter im Norden wohnen, beschissen für den Rest, aber wir werden hauptsächlich vom Becke House oben im Peel Centre aus arbeiten.« Die Reaktion fiel, je nach Zugehörigkeit, unterschiedlich aus. Hignett hob die Hände. »Ich fürchte, es macht Sinn. Sie
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