Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders
entführte? »Haben Sie ihn gekannt?«, fragte Thorne.
»Ich habe ihn nie getroffen «, sagte Hoolihan. »Wobei ich sehr hoffe, das noch nachholen zu dürfen.«
»Das hoffe ich auch.« Thorne ordnete den Mann am anderen Ende der Leitung als einen von denen ein, die nur ungern den Kürzeren ziehen. Dabei machte ihm wahrscheinlich mehr das Ermittlungsergebnis – oder das Fehlen desselben – zu schaffen, als das Gefühl, der Gerechtigkeit würde nicht Genüge getan. Karriere oder Leidenschaft, auf eines von beiden lief es in der Regel hinaus.
»Versuchen Sie doch, mit jemandem vom MAPPA-Ausschuss zu sprechen. Die müssen den Schweinekerl gekannt haben. Sie haben ihn schließlich sechs Monate nach seiner Entlassung betreut.«
»Danke, das werde ich machen.«
»Ich kann Ihnen allerdings nicht sagen, wer da drin saß. Bis auf den Bullen, der damit zu tun hatte. Ich hab seinen Namen herausgesucht, bevor ich Sie anrief.«
Thorne fasste in seine Jackentasche und notierte sich den Namen auf einer gebrauchten Fahrkarte. »Er müsste wissen, wer sonst noch im Ausschuss saß, oder?«
»Keine Ahnung«, sagte Hoolihan. »Mit denen hatten wir damals nicht viel zu tun. Wir wollten bloß Freestone finden. Sobald er sich aus dem Staub gemacht hatte, war uns ein Haufen Sozialarbeiter oder wer auch immer keine Hilfe. Wenn Sie meine ehrliche Meinung hören wollen, war das alles nur reine Zeitverschwendung. Gutmenschen, die nicht viel Gutes auf die Reihe gebracht haben.«
»Warum »Gutmenschen«?«
»Sie haben beschlossen, Sarah Hanley von Freestone zu erzählen. Was er für einer ist. Dann gehen sie hin und erzählen Freestone, was sie vorhaben. Also läuft er sofort zu Hanley, sie streiten, und er wirft das dumme Huhn durch den Couchtisch.«
»Dann war es Ihrer Meinung nach die Schuld des MAP-PA-Ausschusses, dass Sarah Hanley umgebracht wurde?«
Hoolihan zögerte, so weit wollte er vielleicht nicht gehen. »Das ›PP‹ in MAPPA steht für ›Public Protection‹, öffentliche Sicherheit, und beschützt wurde eigentlich niemand …«
Damit war genug geplaudert, vor allem da beide noch einiges zu erledigen hatten. Thorne blieb noch etwas auf dem Betonpoller sitzen und versuchte, DCI Callum Roper zu erreichen. Als er nach vier Telefonaten am Ziel war, verabredete er sich mit ihm für diesen Vormittag. Zuvor gab er ihm am Telefon noch eine kurze Zusammenfassung des Mullen-Falls, wobei er darauf achtete, die Namen Hignett, Brigstocke und Jesmond fallen zu lassen und die Dringlichkeit zu betonen. Grant Freestone ließ er unerwähnt.
Dann brach er auf zur U-Bahn-Station Westminster, nickte einem bewaffneten Streifenbeamten zu, den er vom Sehen kannte. Er sah zu, wie ein Junge mit einem Irokesenschnitt sich neben den Beamten stellte, während sein Freund die beiden fotografierte.
Der Polizist lächelte höflich und legte dem Jungen den Arm um die Schulter. Der Junge grinste wie ein Idiot und deutete auf das Maschinengewehr des Beamten. Thorne hörte das Geklapper von Stöckelschuhen hinter sich und wandte sich um.
»Warten Sie …«
Porter holte ihn ein, und die beiden liefen nebeneinander weiter.
»Für einen laufenden Meter sind Sie ganz schön schnell«, meinte sie.
Sie kamen an Christchurch Gardens vorbei, das ursprünglich zu St. Margaret’s gehörte und auf dem Thomas »Colonel« Blood, der irische Abenteurer aus dem siebzehnten Jahrhundert, begraben lag, der die Kronjuwelen gestohlen hatte. Eigentlich war Blood ja zweimal beerdigt worden, da seine Leiche von ein paar Leuten wieder ausgegraben worden war. Sie wollten sichergehen, dass er wirklich tot war, bevor sie ihn erneut verscharrten. Thorne hatte ein, zwei Übeltäter kennengelernt, die glücklicherweise nicht mehr in der Lage waren herumzuspazieren, die es aber durchaus wert waren, dass man mal nachschaute …
»Danke, dass Sie sich bei der Besprechung zu Wort gemeldet haben«, sagte er.
»Wegen was?«
»Wegen der Sache mit Luke. Dass er vielleicht nicht in der Lage ist, sich zu melden. Absolut lachhaft, die Idee, er könnte jemand umgebracht haben.«
»Ich bin mir nicht so sicher, was ich denken soll.«
Das schien Thorne zu überraschen, der nicht damit hinterm Berg hielt, wie sicher er sich war. »Das ist doch Schwachsinn. Jemand hält ihn gefangen.«
»Aber wer?«
Thorne lächelte beinahe. »Ich kenn doch nicht alle Antworten.«
Am nördlichen Ende der Victoria Street, wo das London Eye im grauen Dunst auftauchte und das monströse Gebäude, in dem
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