Tom Thorne 07 - Das Blut der Opfer
Schulter sah, schaute Zarif in die entgegengesetzte Richtung, zum Fenster. Unter dem Tisch klopfte er mit dem Fuß im Rhythmus der Tablas.
Thorne ging rasch die Treppe hinunter, brauchte ein paar Sekunden, um sich zu orientieren, und stieß die verzogene, unlackierte Tür in die winzige Toilette auf. Es roch feucht und nach Desinfektionsmittel und auch ein wenig nach Kotze, das musste wohl von ihm sein.
Er lehnte sich gegen die Tür und atmete den Gestank ein.
Nein, es ist noch nicht vorbei.
Er griff nach vorn und spülte. Während der Tank laut gurgelnd volllief, trat er hinaus auf den schmalen Gang. An der Porenbetonmauer waren Kisten gestapelt, und durch den halboffenen Durchgang konnte er die riesigen Gasbrenner und einen L-förmigen, sauber gescheuerten Stahlarbeitsblock sehen.
Er lief einige Schritte zu einer grauen Metalltür am Ende des Ganges, entriegelte sie oben und unten.
Prüfte, ob sie sich öffnen ließ.
Und ging zurück zur Treppe. Auf dem Weg dorthin blieb er nur kurz am Waschbecken stehen, um sich die Hände unter dem kalten Wasser zu waschen.
Sechsunddreißigstes Kapitel
Zarif saß zwar noch immer in der Nische, sah noch immer zum Fenster wie vorhin, trotzdem war da ein Zweifel, ob er sich nicht bewegt hatte. Hatte er Zeit gehabt aufzustehen, während Thorne unten war? Vielleicht hatte er telefoniert und Bescheid gesagt, dass Thorne hier war?
»Wann hat denn das Gesundheitsamt zum letzten Mal Ihre Toiletten inspiziert?«, fragte Thorne, als er zurückkam.
Zarif wandte sich um und nickte anerkennend über den Scherz. Bei den Verbindungen und finanziellen Möglichkeiten der Familie waren Inspektionen des Gesundheitsamtes eine der geringeren Sorgen. Thorne fragte sich, ob »Baba« Arkan Zarif sich überhaupt über etwas sorgte.
Baba , was auf Türkisch einfach »Vater« bedeutete. Im Kontext des organisierten Verbrechens hatte es allerdings eine bedrohlichere Bedeutung.
Zarifs Augen folgten Thorne, als dieser an den Tisch zurück- und vorbei zur Tür ging. Er hievte sich aus der Bank und ging ebenfalls zur Tür, um ihn hinauszulassen und hinter ihm abzusperren. »Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht mehr Gastfreundschaft erweisen konnte«, sagte er.
»Ich bin noch am Leben.«
»Ich hoffe, der Besuch hat sich für Sie gelohnt.«
Thorne blieb an der Tür stehen, sperrte sie selbst zu und wandte sich um. »Das muss sich erst zeigen …«
Zarif erstarrte und fuhr herum, als auf der Treppe Schritte zu hören waren. Sein Bauch schwabbelte. Als er den Mann hinter dem weißen Geländer auftauchen sah, musste er zweimal hinsehen. Und ächzte leise.
»Noch jemand wollte sich mit Ihnen unterhalten«, sagte Thorne.
»Das ist nicht … richtig«, sagte Zarif. »Sie sind total verrückt.« Dieses Mal suchte er wirklich nach Worten. Er sprach langsam und versuchte, dabei seine Gedanken zu ordnen.
Er sprach zu Thorne, sah dabei aber zu Marcus Brooks.
Der Gedanke schoss Thorne durch den Kopf, dass Zarif - wie er - Brooks wohl noch nie von Angesicht zu Angesicht gesehen hatte. Vielleicht nicht einmal wusste, wie der Mann aussah, dessen Leben er ruiniert hatte. Aber nach der Miene des Alten zu urteilen, war ihm absolut klar, um wen es sich bei diesem Besucher handelte.
Brooks trug die dunklen Haare länger als auf dem letzten elektronischen Fahndungsbild, und er war dabei, sich einen ordentlichen Bart stehen zu lassen. Am Mundwinkel hatte er einen großen Pickel oder eine wunde Stelle, und die Augen über den dunklen Augenringen blickten glasig in die Ferne.
Er trug Jeans und ein verblasstes Sweatshirt unter einer braunen Daunenjacke. Seine Turnschuhe waren dreckig, in einer Hand hielt er eine Plastiktüte.
Nichts war geplant - zumindest nicht über diesen Punkt hinaus -, und es war gut möglich, dass Brooks einfach Thorne folgte. Sie gingen beide praktisch gleichzeitig auf Zarif zu. Zarif wich zurück zur Nische, in der er gesessen hatte, und blieb am Tisch stehen.
Er sah Thorne an. »Meine Freunde sind nicht weit weg. Meine Söhne...«
»Das weiß ich«, sagte Thorne. »Haben Sie auch so was wie einen Alarmknopf? In meinen Augen waren Sie nie der ängstliche Typ, der gleich um Hilfe schreit, aber Sie können es ja versuchen.«
Zarif wirkte erschrocken, zumindest entnervt. Er war wütend, und wie. Die olivenfarbene Haut wurde noch dunkler, als ihm das Blut ins Gesicht schoss. Er richtete sich auf.
»Sie sind hier eingedrungen.«
»Sie haben mich eingeladen«, sagte Thorne. »Ich erinnere
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