Tom Thorne 07 - Das Blut der Opfer
Lächeln. Obwohl es draußen immer trüber wurde und er den heutigen Tag nur mit der Machete hatte bewältigen können - zumindest kam es ihm so vor -, heiterte ihn auf eine merkwürdige Weise die Vorstellung auf, dass dieses heftig tätowierte, gewalttätige Bandenmitglied sich die Unterhosen noch immer von seiner Mutter waschen ließ.
Er hatte nie herausgefunden, warum man in einem Krankenhaus einen Wachdienst brauchte. Klar, es gab alle möglichen Drogen hier, aber die wurden doch weggesperrt? Dass sie in der Neugeborenenabteilung aufpassten, wegen der Irren, die Babys klauten, verstand er. Und es machte Sinn, überall dort vorsichtig zu sein, wo es um ansteckende Krankheiten ging. Aber abgesehen davon verstand er absolut nicht, wovor sie Angst hatten.
Andererseits war das Gebäude, in dem Ricky Hodson lag, keineswegs Fort Knox.
Das Abbey war ein großes Privatkrankenhaus in Bushey, und der Beaumon-Trakt befand sich inmitten von Baumgruppen am Rande eines sechs Hektar großen, gepflegten Geländes. Im ersten Stock gab es ein Dutzend Zimmer, mit einem beeindruckenden Blick über den Parkplatz auf der einen und über die hüglige Landschaft auf der anderen Seite, je nachdem, wie gut versichert man war.
Er lächelte, als er den Empfangsbereich betrat. Machte eine witzige Bemerkung darüber, wie kalt es war. Man dankte es ihm mit einem Lächeln und wies ihn durch die Lobby. Während er auf den Lift wartete, betrachtete er sich in den polierten Türen. Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und zog sich die Kapuze tiefer ins Gesicht. Holte tief Luft.
Hier roch es nicht mal wie in einem Krankenhaus.
Daher war es keine Überraschung, dass der Blick aus Hodsons Zimmer nicht hinaus auf den Parkplatz ging. Nicht dass er viel hätte sehen können: Die Landschaft war grau unter dem nachtschwarzen Himmel, nur ein paar Lichter in der Ferne waren auszumachen. War vielleicht Watford oder Rickmansworth.
Vom Bett her war ein Geräusch zu hören.
Hodson sah MTV. In dem in der Ecke montierten Fernsehgerät war ein Rapstar zu sehen, der Kameraleute durch sein Haus führte. Sie zeigten seinen Pooltisch mit dem goldenen Billardtuch und einen Plasmafernseher mit drei Metern in der Diagonale.
Er ging um das Bett herum, griff nach der Fernbedienung auf dem Tischchen und schaltete den Fernseher aus.
Hodson erkannte ihn nicht. Was in seinen Augen aufblitzte, war eher Neugierde. Er war bis zum Rand abgefüllt mit Medikamenten und deshalb schwer zu verstehen. »Was?« oder »Wer?« vielleicht. Auf alle Fälle war es eine Frage.
Er hielt die Plastiktüte hoch, die er dabeihatte. Legte sie auf das Bett und kramte darin herum.
»Da hätten wir’s«, sagte er.
Als er erfuhr, was passiert war, hatte er zunächst befürchtet, der Unfall würde ihm die Arbeit abnehmen. Er hatte ihr einen Brief geschrieben, wie sehr ihn das ärgere und frustriere. Doch als klar wurde, dass Hodson durchkäme, fand er, dass der Unfall ihm letztlich enorm in die Hände spielte. Und jetzt, da er sah, in welchem Zustand sich Ricky Hodson befand, fand er sich bestätigt.
Wohin man auch blickte: Kabel. Rund um das Bett standen Maschinen mit Beuteln daran. Hodsons Arme waren von oben bis unten zugepflastert, und um den Hals war ein Drahtgestell. Offensichtlich hatte er eine durchbohrte Lunge, das Becken und die Hüfte zertrümmert, und ein Bein war so kaputt, dass noch nicht klar war, ob es nicht amputiert werden musste.
»Gott, Ricky, was für eine Scheiße.«
Hodsons Augen schossen hin und her. Panik zerriss den Nebel aus Beruhigungsmitteln. Heiser lallte er: »Du bist im falschen Zimmer, Kumpel …«
Er zog eine erbärmliche Weintraube aus der Plastiktüte, zeigte sie Hodson. Dann holte er ein Taschenbuch aus der Tüte und legte beides auf den Tisch. Er rieb Hodson mit dem Handrücken über das unverletzte, stoppelige Gesicht.
»Wenigstens hast du einen Helm aufgehabt«, sagte er.
Er zog den Lappen aus der Tüte und schob ihn Hodson schnell in den Mund, drückte ihm den Kopf in das Kissen. Er verzog das Gesicht, als er mit den Fingern an den Zähnen hängen blieb, bevor er Hodson die Tüte über den Kopf zog. Er drehte die Tragegriffe der Tüte über die Finger und zog zu. Dabei hielt er die Hände dicht ans Kinn, um keine Luft durchzulassen.
Das Metallbett schepperte, aber nicht lange.
Er sah zu, wie das dünne, billige Plastik eingesogen wurde, sich um die Nase legte und Falten warf. Er wartete, bis die Bewegungen langsamer wurden, und sah
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