Tom Thorne 07 - Das Blut der Opfer
Tucker und können daher diesen Mord schwerlich ignorieren. Ist doch keine schlechte Idee, wenn ich Sie deshalb anrufe, oder? Das gehört sich einfach.«
Klang alles sehr vernünftig. »Sie machen also keine Ansprüche wegen des Falls geltend? Anders als in dem Mordfall Deniz Sedat?«
»Hier gibt’s kein Gerangel.«
»Ich verstehe, Sir.«
»Gut.«
»Aber Sie verstehen sicher, dass einige denken, Sie lassen andere die Drecksarbeit erledigen, um im letzten Moment die Muskeln spielen zu lassen.«
»Mit dem erwähnten Fall hab ich nichts zu tun. Und Sie nehmen wahrlich kein Blatt vor den Mund, Inspector.«
Nun war die Reihe an Thorne, eine bedeutungsschwangere Pause einzulegen. »Sir.«
»Also gut, Sie haben mir geholfen, also lassen wir das. Aber eine Frage hätte ich noch. Ich würde gerne wissen, ob Sie mir sagen können, ob der Tucker-Mord dem Team von Homicide East weggenommen und Ihnen zugewiesen wurde?«
Thorne gefiel diese anscheinend unschuldige Frage ganz und gar nicht. Er spürte, wie sich Bannard darüber freute, ihn bei der Unterlassungslüge ertappt zu habe. Und es war mit Händen zu greifen, mit welchem Vergnügen der Ranghöhere ihn vorführte. Thorne konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal von einem Kollegen so ausmanövriert, so deklassiert worden war.
Ihm blieb nichts anderes übrig, als Bannard von der Nachricht des Mörders zu erzählen, von dem Foto, mit dem alles begonnen hatte. Noch so eine Antwort, die Keith Bannard sicher bereits kannte, als er die Frage gestellt hatte.
»Wie war’s?«, fragte Kitson.
»Meinen Sie das Telefongespräch mit Serious and Organised oder den Anschiss, den ich soeben Andy Stone dafür verpasst habe, dass er den Arsch durchgestellt hat?«
»Vermutlich war Letzteres wesentlich angenehmer, aber ich hab den Anruf gemeint.«
Sie standen hinter Karims Schreibtisch, in einer Ecke der Einsatzzentrale, neben einem kleinen Kühlschrank mit einer bunten Sammlung Tassen und einem steinzeitlichen Wasserkessel. Thorne griff nach dem Zucker. Braune Klumpen lagen in der Zuckerdose und klebten am Löffel. Er drehte sich um und ließ jeden in Hörweite wissen, dass der Nächste, der seinen Tee umrührte und sich Zucker aus der Dose holte, ohne den Löffel zuvor abzuwischen, sich schon mal warm anziehen solle.
»So toll war der Anruf?«, sagte Kitson.
Thorne grinste und überspielte die Frage. Er hatte nicht vor, Kitson zu erzählen, wie man ihn nach Strich und Faden vorgeführt hatte. Oder wie er am Ende des Telefonats mit Bannard, das letztlich freundlich endete, das Gefühl hatte, soeben einen Tadel von einem Vorgesetzten erhalten zu haben.
»Er ist ganz okay«, sagte Thorne. »Bildet sich vielleicht ein bisschen zu viel ein, aber Sie wissen ja, wie die sind.«
Kitson war erleichtert, dass der Anruf nichts mit dem Sedat-Fall zu tun hatte. Sie dachte laut darüber nach, ob S&O jetzt, nachdem das Messer aufgetaucht war, ihr die Ermittlung überlassen würde.
»Wenn sie nur ein Fünkchen Verstand haben, schon.« Thorne holte die Milch aus dem Kühlschrank. Roch daran. »Ich glaub einfach nicht, dass das was mit einem Bandenkrieg zu tun hat.«
»Schade wegen der Fingerabdrücke«, sagte Kitson.
»Machen Sie sich nichts daraus. Vielleicht hat der Mörder ja noch einen Zettel mit seiner Anschrift in einem anderen Mülleimer versteckt.«
Sie tranken ihren Tee. Grüßten Kollegen aus einem anderen Team, die zu ihrer Schicht antraten. »Zumindest haben Sie eine Menge über Ihren Toten in Enfield erfahren.«
Thorne nickte, wobei ihm einfiel, dass er noch Hendricks anrufen wollte, um ihm zu sagen, dass er wegen der Tattoos recht gehabt hatte.
»Das klingt dagegen ziemlich nach einem Bandenkrieg.«
Thorne stöhnte, die Tasse in der Hand. »Das hoffe ich nicht.«
»Ja, ich weiß, was Sie meinen.« Kitson grub in ihrer Handtasche nach der Puderdose. »Es hilft wirklich, wenn einem etwas absolut egal ist.« Sie machte sich auf den Weg zur Toilette und ließ Thorne zurück, der darüber nachdachte, ob Brigstocke oder Chief Superintendent Trevor Jesmond bei der Pressekonferenz noch immer die Floskel vom »unschuldigen Opfer« bemühen würden. Um sich dann zu dem Entschluss durchzuringen, noch eine, höchstens zwei Stunden hierzubleiben, bevor er nach Hause fuhr.
Er schlenderte zurück in sein Büro. Er musste noch mehr über die Black Dogs und ihre Vorgehensweise in Erfahrung bringen. Als er am Brett mit Tuckers Foto vorbeikam, ertappte er sich bei einem
Weitere Kostenlose Bücher