Tom Thorne 07 - Das Blut der Opfer
Brigstocke nach. Kaum hatte dieser den Raum verlassen, stieg der Geräuschpegel sprunghaft an. Bullen hatten eigentlich zu allem eine Meinung und tratschten in etwa so viel, wie sie blödelten.
Er griff nach dem Tee, den Brigstocke hatte stehen lassen, und trug die Tasse in sein Büro. Yvonne Kitson hackte zu schnell auf ihre Tastatur ein und fluchte jedes Mal, wenn sie einen Fehler gemacht hatte und auf die Löschtaste einstach. »Ist der Besuch weg?«, fragte sie.
Thorne nickte und blies auf seinen Tee.
Kitson sah auf. »Mein Hemd ist blütenweiß, Herr Kollege«, sagte sie.
»Versteht sich von selbst.«
»Da war dieser Wichser von der Sitte, den ich in die Eier boxte, als er mir auf Andy Stones Geburtstagsparty an den Hintern grabschte, aber ich glaub nicht, dass der das jemandem erzählt hat …«
Thorne lachte und fand, dass Kitson, wie sie dasaß und über ihrer Tastatur brütete, ziemlich gut aussah. Vor ein paar Jahren war ihr Leben - beruflich wie privat - beinahe den Bach runtergegangen wegen einer Affäre mit einem Vorgesetzten. Heute schien sie sich, so wichtig ihr die Arbeit war, weniger um ihre Karriere zu scheren, und das tat ihr gut. Sie hatte die strenge Silhouette der Designer-Businessklamotten gegen weicher geschnittene Outfits getauscht. Der stumpf geschnittene Bob war einer fransigeren Variante gewichen, und ihr Gesicht machte deutlich, dass sie wusste, sie konnte es auch ruhiger angehen.
Zwischen ihm und Yvonne Kitson hatte es nie etwas gegeben, nicht einmal ansatzweise, aber ein- oder zweimal hatte Thorne durchaus ein sündiger Gedanke gestreift, wie er sich voller Schuldgefühle eingestand. Natürlich würde er das Louise gegenüber niemals erwähnen. Geschweige denn einem Kollegen gegenüber.
»Hab gehört, Sie hatten heute Morgen das Vergnügen mit Stuart Nicklin«, sagte Kitson unvermittelt.
»›Vergnügen‹ trifft’s nicht so ganz.«
»Hat aber wunderbar gewirkt. In den Fall ist Bewegung gekommen.« Sie deutete mit einen Kopfnicken auf seinen Schreibtisch. »Wir haben die Funkmastdetails zum zweiten Foto, und der Autopsiebericht kam rein, während Sie unterwegs waren. Beides in Ihrem Eingangskorb.«
»Oh.« Thorne griff nach den Akten.
»Scheint Sie ja nicht sonderlich aufzumuntern.«
»Ich bin außer mir vor Freude, Sie kennen mich.« Er begann in den Unterlagen zu blättern. »Aber ich finde es immer etwas seltsam, wenn ein Mörder sich nicht sonderlich darum kümmert, seine Spuren zu verwischen. Verstehen Sie mich?«
»Ich könnte ein paar mehr von der Sorte brauchen.«
Thorne las, dass der zweite Anruf von einem Funkmast in der Nähe des Abbey Hospital getätigt wurde. Brooks hatte die Nachricht also mit größter Wahrscheinlichkeit kurz nachdem er das Foto gemacht hatte abgeschickt - ein paar Minuten nach dem Mord an Ricky Hodson. Thorne überflog den Autopsiebericht. Es überraschte ihn nicht, dass Hodson erstickt worden war. Schließlich hatten sie die Mordwaffe neben dem Bett gefunden. Die Plastiktüte war innen noch feucht von dem heißen Atem und dem Speichel des Opfers. Mit der genauen Todeszeit vor sich blätterte Thorne weiter, um zu sehen, ob der Pathologe mit seiner Schätzung richtiglag. Er freute sich schon darauf, Phil Hendricks zu erzählen, dass der Pathologe um eine halbe Stunde danebenlag.
»Wie weit sind wir mit Sedat?«
»Ich bin, ehrlich gesagt, ziemlich genervt«, sagte Kitson. »Zuerst bekommt Ihr Fall erste Priorität und meiner gerät aufs Abstellgleis. Und kaum lamentiert dieser türkische Stadtrat, oder was immer er ist, in den Lokalnachrichten herum, soll ich springen. Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht.«
»Wie ein Furz im Nudelsieb«, antwortete Thorne. »Das pflegte mein alter Herr immer zu sagen.« Kitson schmunzelte. »Das wird schon, Yvonne.«
» Ein Anruf kam rein.« Sie stand auf, ging um den Schreibtisch und zupfte einen Faden von ihrem Jackenärmel. »Eine Frau hat in der Einsatzzentrale angerufen. Sprach davon, dass sie weiß, wer Deniz erstochen hat. Es klang, als ob sie ihn wirklich gut gekannt hätte. Am Ende wurde sie hysterisch und legte auf. Keine Ahnung, ob sie Angst hatte oder sich zu sehr hineinsteigerte. Vielleicht beides.«
»War der Anruf echt? Was meinen Sie?«
»Kann ich nicht sagen. Doch, ich glaube schon.«
»Vielleicht ruft sie ja noch mal an.«
»Vielleicht werd ich ja wieder abgezogen, wenn Ihr Typ noch ein paar Biker um die Ecke bringt …«
Karims Gesicht tauchte am Türfenster auf, und Thorne
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