Tom Thorne 07 - Das Blut der Opfer
Schließlich war kein Aufseher im Raum, und er wusste, wozu Stuart Nicklin fähig war. Jetzt, da er fühlte, wie sein eigener Vorrat an schlechtem Blut sich Bahn brach, dämmerte ihm, dass es Nicklin war, der Angst haben musste.
»Ihr Freund«, sagte Thorne, »derjenige, der in meinem Müll wühlt, wenn ihm danach ist. Sagen Sie ihm, damit ist Schluss, okay?« Nicklin wich seinem Blick nicht aus. »Sagen Sie ihm, dass ich, wenn ich auch nur eine Ratte an meiner Mülltonne entdecke, davon ausgehe, das sei er - verkleidet -, und dass ich ihn finde und fertigmache. Sorgen Sie dafür, dass er das erfährt.«
Nicklin hob die Hand zum Salut.
Thorne zeigte mit dem Finger auf ihn. »Und Sie vergessen, was Sie wissen... Zahlen, Daten, Namen. Alles über mich und die Leute, die mir nahestehen. Vergessen Sie’s einfach.«
Nicklin schüttelte den Kopf. »Wie’s der Zufall will, hab ich die Adresse Ihrer Freundin bereits vergessen. Die Hausnummer, mein ich. Aber ich bin mir sicher, den Straßennamen vergesse ich auch noch.« Er tippte sich an die Stirn. »Vielleicht geht’s mir ja so wie Ihrem alten Herrn, und ich vergesse alles. Ich hab schon Probleme, mir die letzten zwei Zahlen von Tante Eileens Telefonnummer zu merken. Also machen Sie sich mal keine Sorgen.«
Das schwarze Blut machte sich bemerkbar, brannte unter der Haut. »Sie müssen alles vergessen«, sagte Thorne.
»Wie schade …«
»Das müssen Sie. Denn selbst wenn Sie den Rest Ihres Lebens hinter Gittern verbringen und denken, Sie hätten ohnehin nichts zu verlieren, wäre es nicht klug, irgendwas davon zu verwenden.«
Nicklin kicherte, doch dann wirkte er plötzlich erschöpft. »Sie haben Wort gehalten, damals auf dem Schulhof.« Er grinste, und Thorne sah die falschen Zähne. »Sie haben Ihre Drohung wahr gemacht. Aber das waren ja auch außergewöhnliche Umstände. Ich bin mir nicht so sicher, ob Sie das jetzt auch bringen.«
Thorne lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. »Schauen Sie mich an, lassen Sie sich ruhig Zeit. Und denken Sie daran, wie ich auf diesem Stuhl sitze.«
Aber Nicklin streckte die Arme bereits auf dem Tisch aus und beugte sich vor, legte den Kopf auf die Arme. Von seinem Platz aus konnte Thorne auf Nicklins babyrosafarbener Glatze mehrere kleine, unregelmäßige Punkte erkennen. Lila Flecken oder Wunden, die aussahen wie Weinflecken.
Paul Skinner hielt sich an der Küchentheke fest und versuchte, das Bier mit ruhiger Hand und ohne Klirren aus der Dose in die Gläser zu schenken. Er hielt inne und holte tief Luft, um sich nicht übergeben zu müssen.
Er schwitzte sicher nur, weil er einen hektischen Tag hinter sich hatte, sagte er sich. Aber mit jedem Mal, mit dem er sich diesen Satz vorsagte, war er weniger überzeugt davon. Nicht dass er wie ein Verrückter herumgerannt war. Er hatte nur zwei Stunden damit verbracht, seine Frau zuzuquatschen, wie toll es wäre, wenn sie mit den Kindern übers Wochenende zu ihrer Mutter fahren würde. Dann hatte er ihnen packen geholfen, das Auto vollgeladen und ihnen nachgewunken. Nachdem sie weg waren, war er noch immer ziellos durch das Haus gerannt. Er konnte nicht anders. Er wollte sich nicht hinsetzen und warten.
Er hatte in dem Moment zu schwitzen angefangen, als diese zwei Blödmänner von der Murder Squad über seine Türschwelle getreten waren. Und seitdem troff ihm der Schweiß dick und klebrig aus den Poren. Er schwitzte nicht, wie man an einem heißen Tag schwitzt oder wenn man mit den Kindern im Garten ein bisschen rumkickt. In seinem Beruf hatte er oft genug die Angst der Menschen gerochen, aber sein Schweiß roch kräftiger, intensiver, schlimmer als alles, was ihm in Gefängniszellen oder in Verhörräumen in die Nase gestiegen war.
Seine Angst stank so sehr, dass ihm übel wurde.
Er warf die beiden leeren Dosen in den Abfall und sagte sich, dass alles wieder in Ordnung käme. Er hatte sofort angerufen, als Annie und die Kinder aus dem Haus waren. Und danach war er etwas ruhiger geworden. Er solle sich beruhigen, hatte es geheißen, und nicht in Panik geraten. Es gäbe keinen Grund, sich aufzuregen. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass sie in der Scheiße saßen. Nein , nicht in dieser Scheiße, hatte er zu widersprechen versucht. Und auf dem Videoclip bin nur ich zu sehen, oder? Aber nach einigem Hin und Her hatte er sich wieder etwas wohler in seiner Haut gefühlt, mehr war nicht zu erwarten gewesen.
Es hatte immer mal wieder Ärger gegeben in den
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