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Tom Thorne 07 - Das Blut der Opfer

Titel: Tom Thorne 07 - Das Blut der Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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brachte, weil jemand unfähig war oder das Gesetz selbst nichts taugte, litt man wie ein Hund. Thornes Hauptsorge vor fünf Jahren war gewesen, dass die Frage nach der geistigen Zurechnungsfähigkeit alle anderen überdecken und dass Nicklin einer Verurteilung entgehen und den Rest seines Lebens als Patient statt als Häftling verbringen könnte.
    Nicklin war vieles, vor allem aber war er ein begnadeter Manipulator. Ein Mensch, der andere dazu brachte zu töten, nur weil es ihm Spaß machte. Aber Gott sei Dank hatte das Gericht die Nummer »mad not bad« durchschaut. Oder es war nichtsdestotrotz zu dem Schluss gelangt, dass man auch dann kein weiches Kissen und Pantoffeln verdiente, wenn man mordete, weil die Stimmen im Kopf es verlangten, und dass man deshalb keinen Deut besser war, als wenn man es aus Gier oder Rassismus getan hätte oder weil der andere der Freundin schöne Augen gemacht hatte.
    »Warum will Marcus Brooks einen Polizeibeamten umbringen?« Die Frage, wegen der Thorne hier war.
    »Warum nicht?«
    Thorne schenkte sich ein Glas Wasser ein.
    »Ach ja, stimmt«, sagte Nicklin. »Sorry.« Und richtete sich betont bemüht in seinem Stuhl auf. »Alles sehr ernst jetzt, ja? Darf ich Ihnen vorab eine Frage stellen: Warum ist das Leben eines Polizeibeamten wichtiger als das Leben anderer? Als das Leben einer netten alten Oma oder eines Kindes. Oder meines.«
    »Jetzt wird’s aber lächerlich.«
    »Aber ich hab recht. Ich wette, der Betrieb läuft jetzt auf Hochtouren, wo es einen Bullen getroffen hat. Da geht’s bestimmt hektisch zu.«
    »Haben Sie Brooks gesagt, er soll es tun?«
    »Ich sag nie jemandem, was er tun soll.«
    »Natürlich nicht.«
    »Ich rede mit Leuten, das ist alles.« Nicklin sah zur Decke. »Ermuntere sie, ihre Optionen abzuwägen.«
    »Genau. Bis sie anfangen zu glauben, die Ideen, die Sie ihnen in den Kopf setzten, seien ihre eigenen.« Er erinnerte sich daran, dass ihm der Superintendent einmal erklärte, genau das mache gute Führung aus, das sei der entscheidende Trick . Der Mann ihm gegenüber litt keinen Mangel an Ideen, so viel war Thorne klar, an düsteren, kranken, brillanten Ideen.
    Er holte tief Luft und verdrängte das Gesicht von Charlie Garner.
    »Sagen Sie mir, warum ich Ihnen helfen sollte.« Nicklin kratzte an der Tischoberfläche. »Warum soll ich mich nicht einfach darauf beschränken, Ihnen zu erklären, wie weit Sie sich diese Frage in den Arsch schieben können?«
    »Weil es Ihnen die ganze Zeit nur darum ging, mich in diesen Fall hineinzuziehen, damit ich hierherkomme und Sie um Hilfe bitte. Und jetzt steck ich drin.«
    Nicklin grinste. »Zweimal in zwei Tagen.«
    »Das mit den Bikern versteh ich ja …«
    »Ein Freund von Ihnen? Dieser Polizeibeamte?«
    »Nein.«
    »Da bin ich aber erleichtert. Wär mir nicht lieb, wenn Sie mit zu vielen faulen Äpfeln rumhängen.«
    »Wollen Sie damit sagen, er ist korrupt?«
    »Hören Sie, Marcus ist nicht gerade ein Musterbürger. Die meisten anständigen Leute da draußen möchten ihn nicht als Nachbarn haben, verstehen Sie? Aber er hat niemanden umgebracht.« Er grinste. »Das holt er jetzt nach, klar.«
    »Kommen Sie, wie viele Leute hier behaupten, sie seien unschuldig?«
    »Viele. Aber nicht sechs Jahre lang und nicht untereinander.« Nicklin beugte sich vor, sein Kopf schwebte dicht über dem Tisch. »Man lernt die Leute hier drinnen sehr gut kennen. Man weiß, wem man aus dem Weg geht und wem man vertrauen kann. Nach einer Weile weiß man, wer beim Scheißen war, wenn man die Nase in den Gang hinaussteckt. Und, wie gesagt, die Schlauen hier merken, dass Lügen keinen Sinn hat.«
    Thorne trank einen Schluck Wasser. Es war lauwarm, schmeckte metallisch, abgestanden. »Das alles wurde bereits gründlich untersucht. Nach seiner Festnahme, als er mit dieser Geschichte kam, von wegen, er sei hereingelegt worden.«
    »Aber nicht gründlich genug«, sagte Nicklin. »Niemand glaubte ihm. Und selbst wenn sie ihm geglaubt hätten, wären sie davon ausgegangen, dass er falschen ›Polizeibeamten‹ aufgesessen wäre - Mitgliedern einer rivalisierenden Gang, etwas in der Richtung.« Trotz des dicken Teppichs und der Wandverkleidung hallte Nicklins Stimme wider. Sein Keuchen kroch von der blanken Tischfläche über das aufwendig gearbeitete Kranzgesims und die Decke. »Niemand nahm die Geschichte ernst genug und sah, was auf der Hand liegt.«
    Mehr musste er nicht sagen, Thorne verstand auch so: Niemand konnte einen korrupten Bullen

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