Tom Thorne 07 - Das Blut der Opfer
dennoch vorkam. Aber die Öffentlichkeit und auch die Mehrheit der Polizeibeamten waren sich der technischen Einheit nicht bewusst, die jeder Abteilung der Met auf Abruf zur Verfügung stand, die Wanzen installierte und abhörte. Die Einheit, die Informationen sammelte, die zwar als Beweise nicht zugelassen waren, aber den Ermittlungsbeamten zur Verfügung standen.
Eine Einheit, eine von einer Handvoll, die existierte und zugleich nicht existierte.
Thorne war kein Verdächtiger und würde daher, was entscheidend war, dieser »Überwachung« zustimmen. Aber auch die Privatsphäre anderer wurde dadurch verletzt, deren Zustimmung niemals eingeholt werden würde. Und Brigstocke bemühte sich zu erklären, dass die Operation daher außerordentlich heikel sei. Er erklärte Thorne, dass bereits ein Wort über die Operation zu einem nicht der obersten Befehlshierarchie Angehörenden eine Gefängnisstrafe zur Folge haben könne. »Können Sie damit leben?«
»Ich nehm an, ja.« Der Gedanke an eine Gefängnisstrafe war genug Stoff zum Nachdenken, aber Thorne machte es genauso zu schaffen, in welchem Ausmaß sein Leben, die Details, die ganze Normalität für andere ein banaler Teil ihres Arbeitstags würden. Bei der Vorstellung, wie verschwitzte Bullen mit Kopfhörern sich kranklachten, wenn Louise ihn als Irren bezeichnete, wurde ihm ganz übel.
Das war nicht viel anders, als wenn der eigene Müll von Fremden durchwühlt wurde.
»Wovon sprechen wir?«, fragte er.
»Wohnung, Büro und Handys«, sagte Brigstocke. »Sie haben doch noch das Prepaid-Handy?«
»Ja, aber ich hab es mir erst gekauft. Nicklin kann Brooks unmöglich die Nummer besorgt haben.«
Brigstocke nickte. »Das ist gut. Wenigstens bleibt Ihnen noch ein Stück Privatleben. Die E-Mails schauen sie sich auch an, versteht sich von selbst. Und die Post.«
»Darf ich nicht mal mehr meine eigene Scheißpost öffnen?«
»Ich denke nicht.«
Thorne riss sarkastisch die Augen auf. »Ich verspreche hoch und heilig, ich gebe alles weiter, was ich vom Mörder bekomme. Alles, bis auf die Mahnungen und Pizzalieferreklame.«
»So läuft das nicht, Tom.«
Thorne seufzte kopfschüttelnd. »Dann eben nicht.«
»Wir müssen das hier klären«, sagte Brigstocke. Er sah zu der Phalanx aus Polizisten und zu dem toten Polizisten, der sich auf dem Weg in die Leichenhalle befand. »Das hier ist blutiger Ernst geworden …«
Später dachte Thorne darüber nach, wie perfekt das Timing gewesen war, und fragte sich, ob Marcus Brooks sie in diesem Moment beobachtet hatte. Aus dem Fenster eines Nachbarhauses.
Das Handy summte genau dann in seiner Jacke, als Brigstocke außer Hörweite war. Er dachte, es handle sich um eine Nachricht von Louise. Als er sah, dass die unbekannte Nummer auftauchte, scrollte er rasch nach unten. Welches Foto er wohl jetzt zu sehen bekäme?
Es gab kein Foto. Nur eine einfache Textnachricht. Er war bereits tot, als ich hinkam.
Brooks. Der nun Thorne dasselbe sagte, das er Sharon Lilley vor vielen Jahren erzählt hatte.
Ohne sich etwas zu erhoffen, wählte Thorne die Nummer, von der die Nachricht gekommen war. Er erstarrte vor Anspannung, als es am anderen Ende läutete, und schrie beinahe laut auf, als der Anruf angenommen wurde.
»Marcus …?«
Nur ein leises Atmen war zu hören und Verkehrsrauschen in der Ferne, bevor die Verbindung nach ein paar Sekunden unterbrochen wurde. Als Thorne das Handy wieder in die Tasche steckte, drehte er sich zum Haus um, und erst jetzt verstand er.
Er war bereits tot, als ich hinkam.
Brooks hatte nicht von dem Mord gesprochen, wegen dem er 2 in den Knast wanderte. Er meinte diesen hier. Die Nachricht bezog sich auf Skinner.
Als er später an diesen Moment zurückdachte, nachdem Verhaftungen durchgeführt und Tote beerdigt worden waren und die späte Reue von billigem Bier befördert worden war, hätte er nicht den Finger darauflegen können, warum er tat, was er nun tat.
Es gab keinen bestimmten Grund dafür …
Dummheit, Instinkt, ein Hang zur Selbstzerstörung … weil die Arschlöcher ihn nicht selbst seine Briefe öffnen lassen wollten. Warum auch immer, Thorne sah hinüber zu Nunn, Rawlings, Brigstocke und den anderen, die langsam zu ihren Autos gingen, und plötzlich war er sich nicht mehr sicher, ob es überhaupt noch jemanden gab, dem er trauen konnte. Der Bulle, der mit Paul Skinner zusammen Marcus Brooks einen Mord angehängt hatte, den er sehr gut selbst begangen haben konnte, war so lange damit
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