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Tom Thorne 07 - Das Blut der Opfer

Titel: Tom Thorne 07 - Das Blut der Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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nicht vielleicht völlig irrte, was Harika Kemal anging. Oder ob es einfach eine körperliche Anziehung zwischen den beiden gegeben hatte, die alles andere verblassen ließ.
    »Ich hätte niemanden mehr.«
    Kitson deutete mit einem Kopfnicken zur Universität. »Sie haben Ihre Freunde, gute Freunde, das sieht man. Leute, denen Sie wichtig sind. Und ich habe es Ihnen bereits gesagt, wir werden dafür sorgen, dass Sie sicher sind. Sie und die Menschen, die Ihnen nahestehen.«
    Da hob Kemal unvermittelt den Kopf. »Und wenn es die Leute sind, die mir nahestehen, vor denen ich geschützt werden muss?« In ihrem Gesicht standen Wut und Ungeduld, aber ihre Stimme brach, bevor sie den Satz zu Ende gesprochen hatte.
    Kitson reichte ihr ein Papiertaschentuch, doch sie hatte bereits eines in der Hand. Hatte es griffbereit gehalten.
    »Was immer Sie brauchen.«
    »Ich brauche Deniz.«
    »Und ich brauche den Mann, der ihn umgebracht hat«, sagte Kitson. Ob sie nach der Hand des Mädchens greifen sollte? Lieber nicht, das wäre wohl zu viel. »Sagen Sie mir, wer es war, Harika.«
    Das Mädchen schniefte und wischte sich die Augen, bevor es das Taschentuch wieder wegsteckte. »Hakan Kemal.« Da war es.
    »Kemal?«
    »Mein älterer Bruder. Mein Bruder hat Deniz umgebracht.«
    Kitson nickte, als hätte sie verstanden, dabei begannen ihre Gedanken zu rasen. Sie hatte eine Menge weiterer Fragen. Sie wollte so schnell wie möglich zurück ins Büro und Bewegung in die Sache bringen. Aber ein paar Minuten mindestens musste sie hier auf der Bank bei Harika Kemal bleiben.
    Kitson sah hinüber zu den zwei Studenten, die noch immer auf der anderen Seite der Holloway Road standen und sie nicht aus den Augen ließen. Sie sahen beide aus, als würden sie ihr am liebsten den Kopf abreißen.
     
    … Mitten in der Nacht saß ich im Park, nass vom Regen, und dachte, was für ein Haufen Scheiße ich bin. Dass ich jeden wegräumen kann, der meiner Meinung nach Schuld daran hat, was passiert ist, und dabei so gut wie nichts empfinde, aber nicht den Mumm habe, mich selbst umzubringen. Das war mein erster Gedanke damals im Knast, als ich davon erfuhr. Ich meine, mich mit einer Rasierklinge selbst aufzuschlitzen. Und ich geb zu, es war eine Erleichterung, als ich stattdessen darüber nachdachte, andere dafür zahlen zu lassen. Ab da musste ich mich nicht mehr mit Selbstmordgedanken abquälen und mich der Tatsache stellen, dass mir dazu sowieso die Power fehlte.
    Wahrscheinlich würde es mir helfen, wenn ich an etwas glaubte. Irgendwas. Wenn ich darauf vertraute, euch irgendwann wiederzusehen. So viel weiß ich, wenn ich an Gott oder so was glauben würde, würde ich bestimmt nicht mehr …
    Und weißt du was, ich hab angefangen, mir vorzustellen, wie es wäre, wieder mit einer Frau zusammen zu sein. Vielleicht sogar wieder ein Kind zu haben. Klar weiß ich, dass das nie passieren wird, nach dem jetzt schon gar nicht mehr. Trotzdem, es tut mir so leid, Baby, ich kann nichts dagegen machen, diese blöden Gedanken ploppen ständig hoch. Ich denke an Sex und an Urlaub und Gott weiß was. Und an die Streits, die ich mit dieser Frau hätte. Wie sie immer eifersüchtig auf dich wäre, das Gefühl hätte, in Konkurrenz mit einer Toten zu sein oder so. Ich stell mir vor, wie sie total ausrastet und über dich herzieht oder ein altes Bild zerreißt, so was in der Richtung. Und dann dreh ich durch und will ihr nur wehtun. Am Schluss würd ich wahrscheinlich saufen und alles kaputt machen.
    Verstehst du? Ich hab viel zu viel Zeit, um über diese Art Scheiße nachzudenken. Eigentlich immer, wenn ich nicht gerade Briefe an einen Geist schreibe.
    Eines würde mich interessieren. Wenn es doch passieren würde, ich mein, wenn ich eine Frau kennenlernen würde. Würdest du das zulassen? Würde ich dich und Robbie dadurch für immer verlieren? Ich weiß ja, du wünschst dir für mich, dass ich glücklich bin, dass ich darüber hinwegkomme. Aber das ist nun mal nicht drin.
    Glücklich sein bedeutet vergessen …
     
    Thorne starrte ein paar Sekunden auf die letzte Zeile, bevor er die Fotokopie in die Schublade zu den anderen Kopien steckte. Er nickte Sam Karim zu, als dieser an seiner Bürotür vorbeikam, lehnte sich zurück und schlürfte seinen Tee. Dabei dachte er darüber nach, was der Kummer mit einem Menschen macht.
    Er verstand Marcus Brooks, was ihn antrieb. Als er das neueste Foto von ihm anschaute, das nach der Beschreibung des Securitymanns erstellt worden war,

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