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Tom Thorne 08 - Die Schuld des Blutes

Titel: Tom Thorne 08 - Die Schuld des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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Verwandlungskunst zu sein. Ein abrasierter Bart. Eine neue Frisur, ein Hut, eine Brille. Bei der durchschnittlichen Beobachtungsgabe der Leute hieß das, dass so gut wie jeder abtauchen konnte.
    »Kam er je ins Haus?«
    Plötzlich wirkte sie nervös, als wolle man ihr etwas unterstellen.
»Ich hab ihm Tee gemacht, wir plauderten über dieses und jenes … ja.«
    »Wie lange ging das so?«
    »Er war wohl an die acht, neun Mal da. Also ein paar Monate, nehm ich an.«
    »Dann hörte er auf zu kommen?«
    Sie nickte. Sie hatte kapiert. »Um die Zeit, als Andrew verschwand. Ich versuchte, ihn unter seiner Nummer zu erreichen, aber er war nicht zu erreichen.« Sie errötete. »Ich weiß noch, dass ich sauer war, weil ich in die Waschstraße fahren musste.«
    »Können Sie mir seine Nummer geben?« Wahrscheinlich handelte es sich dabei um ein Prepaid-Handy, das so gut wie keine Spuren hinterließ, trotzdem wollte er der Sache nachgehen.
    »Er war ein ganz netter Kerl«, sagte sie. »Stand mit beiden Beinen im Leben. Praktisch, ein ganz … normaler Kerl.«
    »Worüber sprachen Sie mit ihm, wenn er ins Haus kam?«
    »Ich weiß nicht.« Sie klang gereizt. »Urlaub, Arbeit, wir quatschten nur so zehn Minuten, während er seinen Tee trank.«
    »Stellte er Ihnen Fragen?«
    »Na ja, wie man das so macht, wenn man sich unterhält. Aber nichts Ungewöhnliches.«
    »Nichts über Ihren Tagesablauf, Ihr Familienleben?«
    »Nein, nichts Besonderes. Aber er war wahrscheinlich oft genug da, um … einiges mitzukriegen.«
    »Genau.«
    »Ich hab ihm nie etwas gesagt …, ihm etwas erzählt .«
    »Das wäre nicht nötig gewesen«, sagte Thorne. Alles, was er bisher über Anthony Garvey in Erfahrung gebracht hatte, deutete auf einen Mann hin, dem es genügte, zu beobachten
und zuzuhören, bis der richtige Zeitpunkt gekommen war. »War Andrew mal da, als er kam?«
    Sie überlegte kurz. »Ein paarmal, denk ich. Normalerweise kam er samstags.« Sie begann mit ihrer Serviette zu spielen. »Ich weiß noch, einmal war er da, als wir eine Auseinandersetzung hatten. Ich hasse es, wissen Sie, schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit zu waschen, aber Andrew hat keine Probleme damit, seine Meinung zu sagen, egal ob andere es hören konnten. Meistens registriert er sie gar nicht. Aber wenn er sie registriert, dann genießt er es eher, Publikum zu haben.« Sie holte tief Luft und ignorierte die Haarsträhne, die ihr wieder ins Gesicht fiel. »Wir brüllten uns an und machten uns gegenseitig fertig. Ich weiß noch, dass wir dabei vors Haus traten, wo Tony die Autos wusch.« Sie zögerte kurz. »Ich erinnere mich, dass er heraufsah und dass ich ihn wie eine Idiotin angrinste, als wolle ich ihm sagen, alles wär super und das sei das Normalste auf der Welt.«
    Thorne bemerkte, wie sie ihre Serviette zusammenknüllte, und dachte, dass dieser Streit nach dem, was Andrew Dowd erzählt hatte und wie sie ihn beschrieb, tatsächlich normal geworden war. Und dass sie ihm, als sie auf die Uhr sah und andeutete, sie müsse nun aufbrechen, wesentlich sympathischer war als noch zehn Minuten zuvor. Vor allem, wenn er daran dachte, worüber sie mit ihrem Mann gestritten hatte.
    »Kein Problem«, sagte er. »Sie haben nichts Falsches getan.«
    Er bestellte sich noch einen Kaffee und blieb weitere zehn Minuten sitzen, nachdem Sarah Dowd gegangen war. Die Musik im Hintergrund - Salsa, oder? - war ziemlich gut. Ob das bedeutete, dass sein Musikgeschmack differenzierter
wurde? Schließlich schätzte er seit Neuestem auch klassische Musik. Ob ihm wohl irgendwann mal Jazz gefiel? Na ja, man musste es ja nicht übertreiben.
    Die meiste Zeit dachte er über einen Mörder nach, der vielleicht der penibelste, organisierteste Verbrecher war, mit dem er es bisher zu tun gehabt hatte.
    Hatte Anthony Garvey je vorgehabt, Nicholas Maier sein Buch schreiben zu lassen, oder war das nur ein Trick gewesen, um an das nötige Geld zu kommen? Wann stellte er zum ersten Mal die Liste seiner Opfer zusammen? Wie früh in seiner Beziehung zu Chloe Sinclair beschloss er, dass sie verzichtbar war?
    Und während er den Passanten nachsah, fragte er sich, was Anthony Garvey jetzt plante, da die letzten drei Männer auf seiner Liste wohlbehalten und am Leben waren und er keine Möglichkeit hatte, an sie ranzukommen.
    Auf dem Weg nach draußen stieß er mit einem Mann zusammen und ging beinahe zu Boden. Der Mann starrte ihn böse an, weil er ihm im Weg gestanden hatte. Thorne sagte »Sorry« - und

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