Tom Thorne 08 - Die Schuld des Blutes
Schluck Wasser. Er versuchte, sie sich und ihren frisch geschorenen Ehemann vorzustellen, wie sie zusammen in ihrem neuen Anbau in ihrem zuvor schon großen Haus in Clapham zu Abend aßen. Sarahs Gehalt zusätzlich zu dem, was Andrew als Investmentmanager verdiente, zweimal jährlich einen Luxusurlaub, eine private Krankenversicherung und für jeden ein nettes Auto. Die typischen jungen Doppelverdiener, die es geschafft hatten.
Nur dass die Ehe im Eimer war.
Als sie unvermittelt die Gabel weglegte, war Thorne nicht klar, ob ihr plötzlich der Appetit vergangen war oder ob sie immer so wenig aß. Wäre es kein Salat gewesen, hätte er sie vielleicht gefragt, ob er ihr helfen könne.
»Als die Polizei anrief und sagte, er sei gefunden worden, teilte man mir mit, dass er mich nicht sprechen möchte. Na ja, sie waren etwas taktvoller und brabbelten was von Vorgehensweise, aber ich hab’s kapiert.«
Sie wirkte ernst, doch Thorne hatte den Eindruck, dass sie ohnehin nicht der Typ war, der oft lächelte. Bislang zumindest hatte er nichts gesehen, was darauf hingedeutet hätte. »Wir halten uns da natürlich raus«, sagte er. »Unser Job war es, ihn zu finden und für seine Sicherheit zu sorgen.«
Sie fuhr fort, als habe sie ihn nicht gehört. »Als sie dann vorbeikamen, um seine Klamotten abzuholen, wollten sie mir nicht sagen, wo er sich befindet.« Sie steckte eine gepflegte Strähne blonden Haares hinters Ohr. »Ich meine, ist er überhaupt in London?«
»Er ist … in London«, sagte Thorne. »Sie verstehen sicher,
dass wir den genauen Ort geheim halten müssen. In Anbetracht der Natur dieser Ermittlung.« Er fand, er klang überzeugend, aber ihrer Miene nach hatte es nicht gereicht.
Sie schob die Salatreste auf dem Teller herum. »Ich ahnte nicht, dass es so schlimm war«, sagte sie. »Wir hatten Streit, das werden Sie ja wissen.«
»Wie gesagt, da halten wir uns raus.«
»Aber er sorgt dafür, dass Sie sich nicht raushalten können.«
»Ihr Mann steht unter einem Riesenstress, so viel kann ich sagen. Vielleicht denkt er, es ist besser für Sie beide, wenn er … für den Moment die Verbindung kappt. Das ergibt durchaus einen Sinn, wenn man bedenkt, dass er ernsthaft bedroht war.«
»Ich weiß nicht, ob Sie ein guter Detective sind oder nicht«, sagte sie, »aber den Small Talk beherrschen Sie.«
»Ein nicht zu vernachlässigender Teil meines Jobs.«
»Haben Sie schon mal daran gedacht, in die Werbebranche zu wechseln?«
Thorne entdeckte den ersten Anflug eines Lächelns. »Die Bezahlung ist sicher wesentlich besser«, meinte er.
Sie zuckte die Achseln. »Aber es ist verdammt stressig.«
Thorne hatte Mühe, nicht loszulachen. Eine Bedienung tauchte auf und fragte Sarah, ob sie fertig sei. Sie nahm den Teller und gab ihn dem Mädchen, ohne es auch nur anzusehen. Die Frage nach einem Dessert wurde beiseitegewischt, und erst jetzt fiel Thorne auf, wie dünn Sarah Dowds Arme waren, wie scharf die Handgelenke hervorstachen.
»Andrew erzählte mir von einem Mann, der für Sie arbeitet«, sagte Thorne. »Der zu Ihnen nach Hause kommt und die Autos wäscht.«
Sie nickte. »Tony.«
Thorne spürte ein Prickeln im Nacken. »Kennen Sie seinen Nachnamen?« Er stellte die Frage, obwohl er sicher war, dass er nicht Garvey hieß, nicht, wenn er für jemanden arbeitete, dem der Name sofort auffiele.
»Es war einfach nur ›Tony‹«, sagte Sarah. »Ich hab nie gefragt.«
»Erzählen Sie mir von ihm.«
»Er tauchte eines Tages an der Tür auf und warb für sein Geschäft. Ich sagte ihm, dass wir bereits jemanden hätten, und er machte ein besseres Angebot. Und seine Arbeit war super. Alles, was er brauchte, hatte er in seinem Van dabei - so ein Jetwash-Ding, einen Staubsauger, und so weiter. Warum interessiert Sie das eigentlich?« Kaum hatte sie die Frage gestellt, wurde sie bleich. Die Erkenntnis dämmerte ihr. »Denken Sie, das könnte der Mann sein, der Andrew umbringen will?«
Thorne zog Kopien der drei elektronischen Fahndungsbilder aus seinem Aktenkoffer, die nach den diversen bisherigen Beschreibungen erstellt worden waren. »Könnte es einer der drei sein?«
Sie musterte die Bilder und tippte auf das mittlere Bild. »Der ist am ähnlichsten. Aber er war dicker im Gesicht und trug eine Brille. Und er hatte Stoppeln, als wolle er sich einen Bart wachsen lassen.«
Thorne steckte die Bilder weg. Ihm schoss durch den Kopf, wie einfach es war, sein Äußeres zu ändern. Dazu brauchte man kein Meister der
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