Tom Thorne 10 - Tödlicher Verdacht
Brixham übergeben musste. Seit damals sorgte alles, was über einen Mühlteich hinausging, dafür, dass sein Magen revoltierte und er sich nach festem Boden unter den Füßen sehnte. Trotzdem liebte er die Vorstellung , auf einem Boot davonzutreiben, auch wenn sich die Realität immer als große Enttäuschung erwies.
Wie so viele andere Dinge in seinem Leben war diese Vorstellung nur auf dem Papier gut.
Er ließ den Kopf in den Nacken fallen und spürte die ersten Tropfen Nieselregen im Gesicht, doch das Gefühl war nicht unangenehm.
»Wahrscheinlich sollten wir aufbrechen«, sagte Anna.
»Ja.«
»Ich sollte Sie zurückgehen lassen zu … Tut mir leid, aber ich weiß ihren Namen immer noch nicht.«
Wie so viele andere Dinge …
»Louise«, sagte Thorne.
Auf dem Rückweg plauderten sie unbeschwert und ließen sich Zeit, als die Straßen schmaler und ruhiger wurden. Sie diskutierten über Fußball, und es stellte sich heraus, dass Anna eine heimliche » Match of the Day «-Zuschauerin war. Wie viel zu viele Londoner war sie eine Anhängerin von Manchester United, doch Thorne versuchte, diesen Umstand auf die leichte Schulter zu nehmen.
»Könnte schlimmer sein«, sagte er zu ihr. »Könnte auch Chelsea sein.«
Als sie Louises Straße erreichten, wurden sie noch langsamer und gingen mit einem Bruchteil des Tempos zur Wohnung zurück, mit dem sie sie verlassen hatten.
»Tut mir leid, dass ich so ein Alptraum bin«, sagte Anna.
»Ich kann das schon verkraften«, erwiderte Thorne.
Nach der Hälfte der Straße brauste ein Pizzaservice-Motorroller an ihnen vorbei, dessen Motor surrte wie ein Schwarm wütender Wespen.
»Verdammter Föhn auf Rädern«, sagte Thorne spontan. Diese Formulierung hatte sein Vater immer benutzt.
Anna lachte. »Pizza klingt allerdings gut. Mein Magen glaubt, mir wäre die Kehle durchgeschnitten worden.«
Inzwischen regnete es wesentlich stärker, doch sie waren höchstens noch eine halbe Minute von Louises Wohnung entfernt. Thorne zog in Erwägung, sie hereinzubitten und ihr etwas zu kochen. »Soll ich Ihnen ein Taxi rufen?«, fragte er.
»Nicht nötig. Ich kann die U -Bahn nehmen.«
Thorne beobachtete, wie der Motorroller das Ende der Straße erreichte, umdrehte und auf demselben Weg zurückfuhr. Er streckte instinktiv die Hand nach Anna aus. »Sind Sie sicher?« Er behielt den Motorroller mit einem Auge im Blick. Zunächst hatte er angenommen, dass der Fahrer nach einer Adresse suchte, doch er hielt nicht nach Hausnummern Ausschau.
»Wirklich, das ist kein Problem.«
Thorne spürte ein Kribbeln im Nacken, das sich ausbreitete. »Gehen wir rein.«
Der Motorroller bremste ab und geriet ein wenig ins Wackeln, als er sich langsam dem Gehsteig näherte. Thorne legte Anna eine Hand auf den Rücken und schob sie an.
» Was? «, sagte sie.
Der Mann auf dem Motorroller, dessen Gesicht hinter einem schwarz getönten Visier verborgen war, lenkte jetzt mit einer Hand, und ohne sehen zu müssen, was er in der anderen Hand hielt, die vom Tank verdeckt war, drängte Thorne Anna vorwärts. » Los! «
Der Fahrer hob seine Pistole, und Anna schrie auf, nahm Thornes Hand und sagte ihm, er solle aufpassen. Thorne legte das letzte Stück mit ihr zurück, indem er sie halb schob, halb zog, bis sie auf einer Höhe mit dem niedrigen Geländer waren, das entlang der Gebäudefassade verlief. Louises Tür befand sich noch drei Meter unter ihnen, als der erste Schuss abgefeuert wurde.
Nur ein Knall, nicht lauter als eine Fehlzündung des Motorrollers.
Anna rief: »Mein Gott!«, dann sagte sie Thornes Namen, während der Motorroller beschleunigte. Wieder ein paar Sekunden lang Wespen-Gesumme, das inzwischen beinahe auf einer Höhe mit ihnen war. Es war keine Zeit mehr, um das letzte Stück zu den Stufen zurückzulegen, die vom Gehsteig nach unten führten, und letzten Endes konnte Thorne nicht mehr tun, als sich gegen Anna zu pressen, sie mit dem Rücken gegen das Geländer zu drücken und zu spüren, wie seine Arme und Beine zu zittern begannen und ihm Regentropfen am Hals hinunterliefen.
Er hörte, wie abermals sein Name gerufen wurde, drehte sich um und sah, dass sich die Pistole ein zweites Mal hob.
Dritter Teil
Bleiküste
Achtundzwanzigstes Kapitel
Kurz bevor das Flugzeug zum Anflug auf Málaga ansetzte, geriet es in ein Luftloch und sackte plötzlich ab. Thorne setzte sich ruckartig auf und öffnete die Augen. Der Gesichtsausdruck seiner Sitznachbarin verriet ihm, dass er geräuschvoll
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