Tom Thorne 10 - Tödlicher Verdacht
seines Freundes häufig aus nächster Nähe gesehen.
»Das riecht fantastisch, Lou.«
Hendricks hatte sich schon seit Längerem kein neues Piercing gegönnt, was er normalerweise immer dann tat, wenn er einen neuen Liebhaber an Land gezogen hatte, doch er war erpicht darauf, seine neueste Tätowierung zu präsentieren: eine Ansammlung kleiner roter Sterne auf der rechten Schulter.
»Sieht aus wie Designer-Akne«, stellte Thorne fest.
Hendricks kaute gerade, deshalb reckte er nur den Mittelfinger empor.
»Dann war das ›Sodomie‹-Tattoo also nichts für dich?«, fragte Louise.
Ein paar Monate zuvor hatte ein Londoner Geistlicher mit seiner Äußerung Schlagzeilen gemacht, dass schwule Männer wie Zigarettenschachteln mit einer Gesundheitswarnung der Regierung »markiert« werden sollten. Sein Vorschlag, ihnen solle »Sodomie kann Ihrer Gesundheit schwer schaden« auf die Gesäßhälften tätowiert werden, hatte erwartungsgemäß Entrüstung ausgelöst, und der Priester war letztendlich gezwungen gewesen unterzutauchen. »Ich werde dieses gottesfürchtige Großmaul zur Strecke bringen«, hatte Hendricks damals gesagt. »Und seiner Gesundheit schaden.«
Jetzt schüttelte er nur den Kopf und grinste. »Ich habe mich letzten Endes doch dagegen entschieden«, sagte er. »In erster Linie deshalb, weil so viele Wörter nicht auf meinen strammen kleinen Arsch gepasst hätten.«
Louise lachte und meinte, sie hätte damit keine Probleme gehabt. In ordentlicher Schriftgröße. In Großbuchstaben.
Thorne berichtete von seinem Ausflug nach Wakefield, von Monahans Weigerung zuzugeben, dass es sich bei der Leiche in dem Jaguar nicht um Alan Langford gehandelt hatte. Von der Notwendigkeit zu beweisen, dass Monahan dafür bezahlt werde, den Mund zu halten.
»Wenn er nicht mit der Sprache rausrückt, weiß ich nicht, was du noch tun kannst.« Louise schenkte sich und Thorne Wein nach. »Du hast nur dann eine Chance, wenn du zurückverfolgst, woher das Geld kommt.«
»Das würde uns aber auch nicht unbedingt weiterhelfen, oder?«
»Tut mir leid, aber du wirst es nicht auf dem silbernen Tablett serviert bekommen, Liebling.«
Hendricks hatte zehn Jahre zuvor die Leiche obduziert, die im Epping Forest gefunden worden war. Oder vielmehr das, was davon noch übrig war. »Du könntest natürlich die Überreste exhumieren lassen«, schlug er vor. »Womöglich schwirrt in der Asche noch der eine oder andere geschwärzte Backenzahn herum. Aber nicht mal Gebissdaten nützen was, es sei denn, man hat zumindest eine Vermutung, um wen es sich bei dem Opfer gehandelt haben könnte.«
»Die wir nicht haben.«
»Also bist du ziemlich am Arsch, mein Freund. Das wäre ungefähr genauso weit hergeholt wie die Prognose, dass Tottenham unter die ersten vier kommt.«
»Solltest du nicht langsam nach Hause gehen?«, fragte Thorne.
Sie aßen, öffneten eine weitere Flasche und noch ein paar Dosen. Thorne legte eine neue Willie-Nelson-Unplugged- CD auf, von der Hendricks behauptete, sie klinge, als würde jemand eine Katze langsam durch die Mangel drehen. Thorne wies Hendricks darauf hin, dass dieser wie üblich seine Fußballmannschaft und seinen Musikgeschmack durch den Kakao gezogen habe, und bat darum, von ihm daran erinnert zu werden, weshalb er sich eigentlich als sein Freund betrachte. Hendricks erwiderte, dass es weniger um »Freundschaft« ginge, sondern vielmehr darum, dass er der einzige Mensch sei, mit dem Thorne nicht schlief, der gewillt war, ihn zu ertragen.
Louise sammelte die Teller ein und schabte die Essensreste ab. »Mit wem bist du denn heute nach Wakefield gefahren?«
»Wie bitte?«
»Männerausflug mit Dave Holland, oder?«
Thorne suchte nach etwas anderem als reiner Neugier in ihrem Gesicht und spürte unerklärlicherweise Blut in sein eigenes steigen. Er zögerte, rieb an einem Abdruck, den sein Glas auf dem Tisch hinterlassen hatte. »Nein, ich habe diese Privatdetektivin mitgenommen«, sagte er. »Die neulich abends hier aufgetaucht ist. Musste sie letzten Endes mitnehmen.«
»Die junge Frau?«
Thorne zuckte mit den Schultern, zog ein Gesicht, von dem er hoffte, dass es sagen würde: »Lächerlich, ich weiß«, und erklärte: »Jesmond meint, wir müssen sie miteinbeziehen, damit sie nicht zu den Zeitungen geht und ausplappert, dass wir den Langford-Fall vergeigt haben.« Er wusste, dass er zu schnell redete, dass er klang, als würde er lügen. »Sie hat sich als echte Nervensäge erwiesen, was ich Jesmond
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