Tom Thorne 10 - Tödlicher Verdacht
alles gesagt, was sie mir gesagt hat.«
»Ja, aber ich brauche das neueste Foto. Und ich möchte mit ihr über Langford sprechen. Mir ist klar, dass sie ihn seit zehn Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen hat, aber sie kennt ihn trotzdem besser als irgendjemand anderer.« Er bemerkte Annas Blick. »Was ist?«
»Sind Sie sich da sicher?«
Das war ein berechtigter Einwand. Donna Langford hatte auch zehn Jahre zuvor nicht allzu genau gewusst, was in ihrem Mann vorging. Sie hatte nicht gewusst, dass er sie durchschaut hatte, dass er geplant hatte, seinen eigenen Tod vorzutäuschen, das Weite zu suchen und sie im Gefängnis verrotten zu lassen. Sie hatte nicht gewusst, dass er Jahre später zurückkommen und ihre gemeinsame Tochter entführen würde. »Okay, aber sie ist meine beste Verbindung zu ihm«, sagte Thorne.
»Klingt nach einem Plan.«
»Das ist es, woraus Detektivarbeit überwiegend besteht: Improvisation.«
»Darf ich Sie begleiten?«
»Ich glaube nicht.«
»Donna vertraut mir.«
»Ich habe doch gesagt, Sie müssen sich jetzt raushalten.«
»Ja, ich weiß, aber …«
»Langford hat herausgefunden, dass wir Monahan einen Besuch abgestattet haben, also wird er auch erfahren, wenn wir mit Donna sprechen.«
»Ich habe keine Angst«, sagte Anna.
Thorne sah, dass sie es ernst meinte. »Dann sind Sie dumm«, sagte er. »Und ich muss nach Hause …«
Als Thorne von der Herrentoilette kam, wartete sie, die Hände in den Hosentaschen, an der Eingangstür auf ihn. Er bot ihr an, sie nach Hause zu begleiten, doch sie erinnerte ihn daran, dass sie nur fünf Gehminuten entfernt wohnte.
»Viel Glück morgen«, sagte sie. »Sie würden bestimmt mehr aus Donna herausbekommen, wenn ich dabei wäre.«
»Bestimmt.«
»Sie bräuchten nicht so viel zu improvisieren.«
»Sie geben einfach nicht auf, oder?«
Sie drückte die Tür auf, und sie schnitten beide eine Grimasse, als ihnen ein kalter Windstoß von der Straße entgegenwehte.
»Das ist etwas, was wir beide gemein haben«, sagte sie. »Habe ich recht?«
Elftes Kapitel
Er nahm eine Flasche guten Wein mit auf den Balkon, setzte sich und schenkte sich ein Glas ein, da er hoffte, dass es ihm dabei helfen werde, sich zu entspannen.
Als er noch jünger gewesen war und in den Pubs von Hackney und Dalston den großen Macker markiert hatte, hatte ihn Alkohol immer angeheizt – hatte seine schlechte Laune verschlimmert und dafür gesorgt, dass er selbst die kleinste Kritik als etwas betrachtete, für das es sich lohnte, das Messer zu zücken. Nachdem er dann die dreißig überschritten hatte, zu Geld gekommen war und sich einen Ruf aufgebaut hatte, fing Alkohol an, sich genau umgekehrt auf ihn auszuwirken. Heutzutage trug ein guter Tropfen eher dazu bei, ihn zu bremsen und zu beruhigen. Er führte das darauf zurück, dass er schlauer war als früher. Oder einfach älter. Vielleicht lag es aber auch an der Qualität dessen, was er heutzutage trank.
So oder so, in der Regel funktionierte es. Und momentan hatte er Beruhigung dringend nötig.
Er trank ein Glas, dann noch eines, und spürte, wie sich seine Stimmung nach und nach ein wenig verbesserte. Er betrachtete die Lichter der ein paar Meilen weiter unten gelegenen Ortschaft, hinter der sich die helle Mondsichel im Meer spiegelte.
Ein bescheuerter Idiot, das war er. Immer noch den großen Macker markieren zu wollen.
Ihm war bewusst, dass er überreagiert hatte. Er hätte nicht die Hand erheben sollen. Wie dumm war das von ihm gewesen? Er würde sich bei dem Typen entschuldigen, die Sache regeln, ihm morgen eine Flasche guten Whisky schicken.
Schließlich war es nicht so, dass ihn überhaupt niemand mehr bei seinem echten Namen nannte oder dass er nicht gelegentlich hörte, wie dieser in einer Bar geflüstert wurde. Was hatte er denn erwartet? Gut, er nannte sich seit zehn Jahren nicht mehr so, und sein Gesicht und sein Haar sahen anders aus, trotzdem war »Alan Langford« nach wie vor derjenige, den er sah, wenn er in den Spiegel blickte.
Nur der Name war tot.
Dennoch wussten alle, die ihm nahestanden, was Sache war, genauso wie diejenigen, die schon seit Längerem hier waren. Sie wussten, dass es an diesem Küstenabschnitt von Bullen und Freunden von Bullen wimmelte wie von Fliegen auf der Scheiße, und selbst so lächerliche Kleinigkeiten wie der Name, den man benutzte, konnten Aufmerksamkeit erregen. Konnten letzten Endes dafür sorgen, dass man geschnappt wurde. Aber ein paar Typen wurden manchmal
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