Tom Thorne 10 - Tödlicher Verdacht
leichtsinnig. Ältere Bekannte aus Londoner Tagen, die nach einem oder zwei Drinks geschwätzig wurden; oder Neuankömmlinge, die herumlungerten und versuchten, die richtigen Kontakte zu knüpfen.
Heute Abend war es einer von seinen alten Bekannten gewesen. Ein Kerl, mit dem er in den Siebzigern Geschäfte gemacht hatte. Es war keine Absicht von ihm gewesen, nur ein Versprecher, und sein Gesichtsausdruck war wirklich köstlich gewesen, als ihm bewusst wurde, was er gesagt hatte. Trotzdem hatte er einen Denkzettel gebraucht.
Noch vor einer Woche hätte er nicht so reagiert. Eine Ermahnung hätte genügt. Jetzt jedoch, in Anbetracht dessen, was zu Hause los war, in Anbetracht der Fotos, hatte er allen Grund, ein bisschen nervöser zu sein als sonst.
Sich in die Enge getrieben zu fühlen.
Unter ihm zogen Lichter über das Wasser, als an der Landspitze ein paar Boote auftauchten und in die Bucht fuhren. Nachtfischer, vermutlich, deren Netze prall gefüllt mit Tintenfischen und Sardinen waren.
Das ganze Theater wegen eines Fotos , Herrgott …
Von seinem Lieblingsclub an der Uferpromenade drang Musik an sein Ohr, zumindest die Basslinie, die wie ein rasender Herzschlag klang. Er wusste, dass ein paar von ihnen heute Abend da waren – verschwitzt und aufgeputscht mit Koks oder Ecstasy. Vor der Tür parkten Mercedes- und Bentley-Cabrios, und russische Edelnutten scharten sich um die Tanzfläche.
Er schenkte sich den Rest des Weines ein und warf die leere Flasche in hohem Bogen in den Swimmingpool.
Hackney war weit weg.
Auf dem Rückweg von Victoria war nicht allzu viel Verkehr gewesen, sodass Thorne vor zehn Uhr wieder zu Hause war. Louise war bereits ins Bett gegangen. Er glaubte, er sei leise genug hereingekommen, doch als er in der Küche stand und aus einer Flasche Mineralwasser trank, hörte er sie aus dem Schlafzimmer rufen.
Er zog sich im Dunkeln aus.
»Ich bin vor dem Fernseher weggepennt«, sagte sie. »Mir sind einfach die Augen zugefallen.«
»Macht doch nichts.«
»Ich rieche Guinness.«
Er legte sich ins Bett und drehte sich auf die Seite. Sagte: »Ich war mit Russell im Oak.«
Wäre Thorne an Ort und Stelle gefragt worden, weshalb er gelogen habe, hätte er es nicht erklären können. Am Abend zuvor, als Louise sich nach seinem ersten Ausflug nach Wakefield erkundigte, hatte er das Gefühl gehabt zu lügen, obwohl er ehrlich gewesen war. Jetzt fand er es einfacher zu lügen, als die Wahrheit zu sagen.
Er redete sich ein, dass er sie beschützen wollte. Dass sie momentan übersensibel war, dass sie seit ihrer Fehlgeburt übersensibel war.
Doch er wusste, dass das Unsinn war.
Wahrscheinlich wollte er einfach einem Streit aus dem Weg gehen. Ja, Louise war in letzter Zeit tatsächlich empfindlicher, fühlte sich angegriffen, auch wenn kein Grund dafür bestand, doch ihm selbst erging es genauso. Seine Nerven lagen noch immer blank, und er war einem Streit einfach nicht gewachsen.
Louise drehte sich um und legte den Arm über sein Bein. »Wie viel hast du denn getrunken?«
»Nur zwei.«
»Sehr vernünftig.«
»Ich war mit dem Auto unterwegs.«
»Wann musst du morgen früh zur Arbeit?«
Ihre Finger senkten sich in seinen Schritt, und ihr Atem war heiß, als sie leise an seiner Schulter stöhnte. Er hatte mehr oder weniger aufgehört, an Anna Carpenter zu denken, als er sich zu ihr drehte.
Zwölftes Kapitel
Thorne holte Anna in der Nähe des Victoria-Busbahnhofs ab, und sie fuhren nach Norden, Whitehall hinunter und um den Trafalgar Square, über die Euston Road nach Camden und weiter.
Dieses Mal machte er sich nicht die Mühe, sie zu warnen oder Benimmregeln festzulegen, die sie vermutlich ohnehin wieder gebrochen hätte. Was diese Befragung anbelangte, hatte er weniger Bedenken als bei der im Wakefield-Gefängnis. Außerdem war er inzwischen der Meinung, dass sie am Abend zuvor wahrscheinlich recht gehabt hatte: Womöglich würde er mehr aus Donna Langford herausbekommen, wenn Anna ihn begleitete.
Vorausgesetzt, es gab überhaupt etwas herauszubekommen.
Sie redeten nicht viel im Auto. Thorne gab sich damit zufrieden, Radio zu hören, und Anna schien die Botschaft zu verstehen. Während Thorne darauf wartete, die Holloway Road überqueren zu können, schob er eine alte Bluegrass-Compilation in den CD -Player: Lester Flatt und Earl Scruggs, die Louvin Brothers, Bill Monroe …
»Oh, ich liebe diese Musik«, sagte Anna.
Thorne drehte das Radio lauter, als er an der Ampel
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