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Tontauben

Tontauben

Titel: Tontauben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Mingels
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wenden konnte: Wie ein Taschenspieler, der aus dem Nichts eine Münze hinter ihrem Ohr hervorzauberte.
    Oh ja, sagte Frank gedehnt, das weiß ich. Du redest einfach so daher, im luftleeren Raum, nicht wahr? Die Welt ein Vakuum!
    Er lehnte sich feixend in seinem Stuhl zurück. Tatsächlich machte er den Eindruck, als ob ihm dieser Verlauf des Gesprächs behagte.
    Aber so funktioniert das nicht. Oder sagen wir es anders: So bringt das nichts. Es ist doch so, er stützte die Ellbogen auf den Tisch und öffnete die Hände zu einer fast priesterlichen Geste. Egal, ob man über Literatur, Religion, Philosophie oder was auch immer spricht: Wenn es nicht auf das Leben anwendbar, an der Existenz überprüfbar ist, ist es unerheblich. Bullshit. Verstehst du?
    Es ging aber gerade um das Mittelalter, wandte Esther ein.
    Ist doch scheißegal, sagte Frank heftig. Die Idee, um die es geht, ist ja auch heute noch relevant. Oder etwa nicht? Schau doch dich selbst an. Glaubst du vielleicht, dass irgendetwas, irgendein Umstand – Einsamkeit, Verwirrung, Überdruss, was auch immer – dein Verhalten entschuldigen kann? Dass Jean, er sprach den Namen übertrieben französisch aus, sich das anhören wird und dann sagt: Voilà, das verstehe ich natürlich, dir war langweilig?
    Hör auf, sagte Esther.
    Ich erzähl dir mal was, fuhr Frank unbeirrt fort. Du bist ganz alleine dafür verantwortlich, was du tust. Niemand anders, klar? Nicht ich, nicht Jean, kein Gott und sicherlich kein obskures Schicksal, das mich zu dir geschickt hat. Wenn überhaupt, hat uns der Zufall zusammengeführt. Denn man kann es schon zufällig nennen, dass ich an der Tagung teilgenommen habe.
    Er machte eine Pause, in der er sich eine Zigarette anzündete.
    Esther sagte: Von mir aus können wir jetzt gehen.
    Ich bin nämlich nur deshalb zur Tagung gekommen, ignorierte Frank ihren Einwand, weil ich für einen Kollegen eingesprungen bin. Und der hat nicht gekonnt, weil er auf eine Beerdigung musste. Von einem Freund, der beim Wandern in eine Gletscherspalte gestürzt ist. Zufälliger geht’s kaum, würde ich sagen.
    Er nahm das Glas in die Hand und legte den Kopf in den Nacken, um den letzten Schluck zu trinken.
    So kam ich also hierher. Trotzdem hätte natürlich nichts passieren müssen zwischen dir und mir. Unvermeidlich war das nicht. Ich meine, wir waren ja nicht so überwältigt, dass wir uns nicht mehr unter Kontrolle hatten.
    Während er sprach, hatte er Esther nicht aus den Augen gelassen. Er war, dachte sie, wie ein Forscher vorgegangen, der die Wirkung seines Handelns beobachten wollte. Aber dieser Hang zur Grausamkeit war nicht das Bestürzende. Das wirklich Erschreckende war, wie schmal der Grat war, auf dem er mit seinen Belehrungen, seiner Verachtung, seiner Arroganz balancierte. Wie nah die Gefahr lag, ins Lächerliche abzurutschen, peinlich zu sein.
    Ja, dann, sagte Esther.
    Sie gab sich Mühe, amüsiert zu klingen. Sie würde ihm nicht widersprechen, nur um zu erreichen, dass auch er einlenkte. Doch, wir waren überwältigt. Sie würde dieser Eitelkeit nicht nachgeben. Sie winkte dem Kellner und bezahlte die Getränke.
    Dann sah sie Frank aufmunternd an: Lass uns ins Hotel gehen.
    Auf der Landstraße stauten sich die Autos in entgegengesetzter Richtung. Im Vorbeifahren betrachtete Frank die Autokolonne.
    Glück gehabt, murmelte er.
    Er sah zu Esther hinüber, ein knappes Lächeln zog nur einen Mundwinkel nach oben. Dann stellte er das Radio an, die Stimme eines Moderators war zu hören. Er suchte weiter, ein schneller, monotoner Rhythmus erklang, seine Finger trommelten kurz den Takt aufs Lenkrad.
    Esther sah aus dem Fenster auf einen Campingplatz zwischen den Dünen. Vier weiße Wohnwagen standen in gerader Reihe, auf zweien waren kleine Satellitenschüsseln installiert. Vor einem der Wohnwagen konnte sie einen Mann erkennen, der eine grüne Plane ausbreitete. Zwischen zwei Bäumen erschien plötzlich mit großen, schwerelosen Schritten ein Jogger, der fast sofort wieder ihrem Blickfeld entschwand. Was, wenn sie sich zu Frank hinüberbeugen, ihren Kopf auf seinen Schoß legen, den Reißverschluss seiner Jeans öffnen würde? Sie stellte sich sein Gesicht vor, die Überraschung, die sich in Erregung wandeln würde, sein verblüfftes Schweigen.
    Sex mit ihm zu haben war einfach. Schwierig war nur alles andere.
    Mit vier Jahren habe er einen Sprachfehler gehabt: er habe gestottert. Aber nicht nur ein bisschen, sagte Frank.
    Sie hatten die Vorhänge

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