Top Secret 1 - Der Agent (German Edition)
ich ihm getan habe.«
»Du kamst aus einer Situation mit deinem Lehrer, in der du machtlos warst und tun musstest, was dir gesagt wurde, zur Toilette, wo du jemanden gesehen hast, der schwächer war als du, und du hast ihn deine Macht über ihn spüren lassen. Das war sicher befriedigend.«
»So könnte man es auch ausdrücken«, bestätigte James.
»In deinem Alter ist das frustrierend, James. Du weißt, was du willst, musst aber dennoch tun, was dir gesagt wird. Du gehst zur Schule, wann man es dir sagt, gehst ins Bett, wann man es dir sagt, lebst, wo man es dir sagt. Alles wird von anderen kontrolliert. Es kommt bei Jungen deines Alters häufig vor, dass sie plötzlich Wutausbrüche bekommen, wenn sie die Kontrolle über jemand anderen haben.«
»Aber ich werde riesigen Ärger bekommen, wenn ich weiterhin ständig in Prügeleien gerate«, meinte James.
»Ich kann dir in den nächsten Wochen einige Techniken beibringen, mit denen du deinen Ärger kontrollieren kannst. Bis dahin versuch einfach, dich daran zu erinnern, dass du erst elf Jahre alt bist und keiner erwartet, dass du perfekt bist. Halte dich selbst nicht für einen schlechten Menschen, und glaube ja nicht, dass du krank im Kopf bist. Ich möchte mit dir etwas machen, was man positive Bestätigung nennt. Ich möchte, dass du wiederholst, was ich eben gesagt habe.«
»Was soll ich wiederholen?«, fragte James.
»Sag: ›Ich bin kein schlechter Mensch.‹«
»Ich bin kein schlechter Mensch«, sagte James.
»Sag: ›Ich bin nicht krank im Kopf.‹«
»Ich bin nicht krank im Kopf.« James lächelte. »Ich komme mir ziemlich blöd vor.«
»Es ist mir egal, ob du dir blöd vorkommst, James. Hol tief Luft, sag es und denke daran, was es bedeutet.«
James war der Meinung gewesen, die Beraterin zu sehen, sei reine Zeitverschwendung, aber er fühlte sich tatsächlich besser.
»Ich bin ein guter Mensch und ich bin nicht krank im Kopf«, sagte er.
»Ausgezeichnet, James. Ich glaube, das ist ein guter Punkt, die Sitzung zu beenden. Wir sehen uns am Montag wieder.«
James glitt von der Couch.
»Bevor wir aufhören, James, es gibt ein Detail in den Aufzeichnungen deiner Schule, das mich neugierig macht. Wie viel ist einhundertsiebenundachtzig mal sechzehn?«
James dachte etwa drei Sekunden nach.
»Zweitausendneunhundertzweiundneunzig.«
»Sehr beeindruckend«, fand Jennifer. »Wo hast du das gelernt?«
»Ich kann es einfach«, meinte James achselzuckend. »Seit man mir Zahlen beigebracht hat. Ich hasse es, wenn Leute mich bitten, das zu tun, ich komme mir dann wie ein Freak vor.«
»Es ist eine Gabe«, sagte Jennifer. »Du solltest stolz darauf sein.«
James ging hinunter in sein Zimmer. Er begann mit den Erdkunde-Hausaufgaben, aber irgendwie war er nicht bei der Sache. Er schaltete die PlayStation ein. Kyle kam von der Schule zurück.
»Wie war dein erster Tag?«, fragte er.
»Ziemlich gut, was ich nicht dir verdanke.«
»Das mit der Krawatte war ein Gag«, stellte Kyle fest.
James sprang vom Stuhl auf und packte Kyle am Hemd. Kyle schubste ihn fort, sodass er vor den Schreibtisch krachte. Er war stärker, als James erwartet hatte.
»Mann, James, ich habe gedacht, du wärst cool.«
»Das war bescheuert. Mein erster Schultag, und wegen dir lauf ich rum wie ein Mädchen!«
Kyle warf seine Schultasche zu Boden.
»Tut mir Leid, James. Hätte ich gewusst, dass du so einen Aufstand machst, hätte ich es bleiben lassen.«
Eigentlich hätte James gerne einen richtigen Streit angefangen, aber Kyle war das einzige Kind im Nebraska-Heim, dessen Namen er auch nur kannte. Er wollte es sich mit ihm nicht verderben.
»Bleib mir einfach vom Leib«, knurrte er.
Schmollend setzte er sich aufs Bett, während Kyle seine Hausaufgaben machte. Schließlich wurde es ihm langweilig und er ging spazieren. An einer Ecke sah er den Jungen mit dem Metallica-T-Shirt, den er in der Schule getroffen hatte. Die Gang um ihn herum sah ziemlich gewalttätig aus. James ging zu ihnen hinüber.
»Vielen Dank für die Hilfe vorhin«, sagte er.
Metallica sah ihn abschätzend an. »Kein Problem, Mann. Ich bin Rob. Das ist die Gang: Vince, Big Paul und Little Paul.«
»Ich bin James.«
Es entstand eine unangenehme Pause.
»Gibt’s noch was, Schwachkopf?«
»Nein«, antwortete James.
»Dann verpiss dich!«
James fühlte, wie er rot wurde, und ging fort, doch Rob rief ihn zurück.
»He, James, wir gehen heute Abend aus. Willst du mit?«
»Cool«, sagte James.
Nach
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