Top Secret 1 - Der Agent (German Edition)
und gaben ihm immer noch mehr Bier. Er wurde rot, als ihn eine von ihnen küsste. Daraufhin küssten sie ihn alle, bis sein Gesicht ganz mit Lippenstift verschmiert war. Als sie selber betrunkener wurden, hielten sie es für eine gute Idee, James einen Knutschfleck zu verpassen. Sie kitzelten ihn so lange, bis er einwilligte. Er war sich darüber im Klaren, dass er für sie nicht mehr als ein betrunkenes Haustier war, aber es tat ihm gut, im Mittelpunkt zu stehen.
Einige Kinder auf Amys Flur beschwerten sich über den Krach, daher wurde die Party nach draußen verlegt. Mittlerweile war es Mitternacht und stockdunkel. James folgte dem Lärm aus Amys tragbarem CD-Spieler.
»Wartet auf mich!«, rief er. »Ich muss nur mal eben pinkeln.«
Er lief zu einer Baumgruppe, als plötzlich der Boden unter seinen Füßen nachgab. Sein Herz raste, als er das Gleichgewicht verlor, zwei Meter die Böschung hinabfiel und in einen schlammigen Graben stürzte.
James rappelte sich auf und spuckte eklig schmeckendes Wasser aus. Sein Sweatshirt war zerrissen. Er rief um Hilfe, aber die Musik war so laut, dass die anderen ihn nicht hören konnten. Als er die Böschung wieder hochgeklettert war, konnte er niemanden mehr sehen und hören.
Der Campus war größer, als James gedacht hatte. Bei dem Versuch, das Hauptgebäude zu finden, verlief er sich total. Von dem vielen Bier wurde ihm schlecht und er geriet in Panik. Als er schließlich die Umkleideräume am Rand der Sportbahnen sah, fiel ihm ein Stein vom Herzen.
Er sah in die Fenster. Es war dunkel drinnen, aber als er es an der Tür versuchte, fand er sie unverschlossen und schlich hinein. Obwohl die Heizung abgeschaltet war, war es wärmer als draußen. James rieb die Hände aneinander, um wieder etwas Gefühl darin zu bekommen. Er fand die Schalter und machte Licht im Umkleideraum der Jungen. Die anderen Räume ließ er aus. Licht hinter den beschlagenen Scheiben hätte jemanden aufmerksam machen können.
Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, blickte James ernüchtert in den Spiegel. Er hatte für die Party seine besten Sachen angezogen, fast neue Nike-Air-Turnschuhe und Diesel-Jeans. Die Jeans war unten vom Matsch völlig durchweicht und die Turnschuhe waren nass und dreckverschmiert. Von hier aus würde er zu seinem Zimmer zurückfinden, aber wenn er so gesehen wurde, könnte es unangenehme Fragen geben. Er musste sich erst etwas sauber machen.
Er zog die Schuhe aus, um keine Spuren auf dem Boden zu hinterlassen, und ging in den Umkleideraum der Jungen. Die Angst, erwischt zu werden, hatte ihn ein wenig ausgenüchtert. Im Umkleideraum herrschte Chaos. Es roch nach Schweiß und einige Kleidungsstücke lagen herum. James fand ein zerknittertes graues CHERUB-T-Shirt unter einer Bank. Es stank erbärmlich, aber es war weniger verdächtig, als wenn er mit seinem zerrissenen Sweatshirt ins Hauptgebäude zurückging, also zog er es an. Saubere Trainingshosen, die er anstelle der schmutzigen Jeans anziehen konnte, waren keine da, daher zog James die Taille seiner Jeans herunter und krempelte die Beine auf, sodass der Dreckstreifen etwas kleiner wirkte. Jetzt brauchte er nur noch ein paar Turnschuhe, mit denen er keine Schlammspur hinterließ. Ein paar Laufschuhe mit Spikes lagen herum, aber die würden ihm im Haus nichts nützen.
James ging zum Mädchenumkleideraum gegenüber. Hier war er natürlich noch nie gewesen. Der Unterschied zum Jungenumkleideraum war erstaunlich. Es roch frisch und auf einem Regal standen Toilettenartikel und Parfumflaschen. Aber am besten waren die zwei Paar Trainingsschuhe auf den Schränken. Ein Paar hatte James’ Größe, war aber rosa. Das andere war etwas kleiner, aber darin konnte er die paar hundert Meter durch das Hauptgebäude leicht zurücklegen, und er zwängte seine Füße hinein.
Ein Blick in den Spiegel zeigte ihm, dass sein Gesicht schmutzig war. Obwohl James sich wünschte, Kyle könnte den vielen Lippenstift in seinem Gesicht sehen, feuchtete er ein Handtuch an und schrubbte Hände und Gesicht, besprühte das stinkende T-Shirt mit Deodorant und gurgelte mit Mundwasser, um den Biergeruch zu überdecken.
Ein letzter prüfender Blick in den Spiegel zeigte, dass er passabel aussah. Wenn jemand fragte, warum er so spät noch draußen war, würde er sagen, dass er nicht hätte schlafen können, spazieren gegangen war und sich verlaufen hätte. Es wäre nur schwierig zu erklären, warum er ein T-Shirt in der falschen Farbe
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