Top Secret - Der Auftrag
eine Ohrfeige?«, fügte der kleinere hinzu und trat vor, sodass seine Brust fast James’ Nase berührte.
»Gib auf, James«, bat Hannah verzweifelt und wich zurück.
Aber die plötzliche Veränderung ihres Tonfalls machte James unangenehm klar, dass die beiden Kerle jetzt mehr wollten als nur Bier. Max hatte sie beleidigt, und er vermutete, sie waren darauf aus, sie vor den Mädchen zu blamieren.
Wenn er ihnen mehr Bier anbot, würden sie wahrscheinlich noch etwas anderes verlangen, möglicherweise sein Geld. Und wenn er ihnen auch das gab, dann würden sie ihn trotzdem schlagen. James nahm an, dass er sich früher oder später zur Wehr setzen musste, und dann war ihm früher lieber als später.
»Wisst ihr was?«, sagte James und versuchte, cool zu klingen, »das war ein Friedensangebot, aber jetzt kriegt ihr gar nichts.«
Der Kerl vor James Nase trat zurück, um zuzuschlagen, doch sobald er sich bewegte, griff ihn James mit beiden Händen am T-Shirt, zog ihn nach vorne und gab ihm eine Kopfnuss. Der andere stolperte zurück, fiel ins Gras und hielt sich die blutige Nase.
Der mit dem Bart griff ein und versuchte, James um die Taille zu fassen. James wehrte den Arm ab und verdrehte den Ellbogen seines Gegners.
Er hatte keine Ahnung, ob die anderen beiden Kerle aus der Grosvenor-Siedlung in den Kampf eingreifen würden. Vier gegen einen konnte er nicht riskieren, daher musste er wenigstens einen seiner Gegner unschädlich machen. Er zog den Arm des Jungen gerade und drückte dann mit der Handfläche auf den Ellbogen, dass die Sehnen rissen und die Knochen knackten.
In seiner Ausbildung hatte James diesen Griff Hunderte Male geübt, aber der Unterschied zwischen dem Üben im Training und dem Geräusch, den das Gelenk tatsächlich von sich gab, war ekelerregend.
James fühlte sich merkwürdig, als der bärtige Teenager vor Schmerz aufschrie. Es war eine Mischung aus Ekel und Ehrfurcht vor der außerordentlichen Kraft, die er sich in den vielen Kampftrainingsstunden angeeignet hatte. Zehn Monate zuvor hatte er einen Mann erschossen, aber das hätte jeder tun können. Das Gefühl, einem Menschen mühelos mit bloßen Händen die Knochen brechen zu können, war viel furchterregender, auch wenn die Konsequenzen nicht ganz so endgültig waren.
Die beiden anderen Kerle kamen auf James zu, angespornt von ihren Mädchen. James wollte nicht mit ihnen kämpfen und entschied, dass eine gute Show die beste Strategie war, sie zurückzuhalten.
Er wies auf den Typ im Gras, der sich die Nase hielt, und fragte herausfordernd: »Will noch jemand so was? Kommt her und holt es euch!«
Alle anderen Kinder waren näher gekommen, um zu
sehen, was da im Mondlicht geschah. James war sehr erleichtert, als die Rowdys kurz vor ihm verunsichert anhielten. Eines der Mädchen beugte sich über den Kerl mit dem gebrochenen Arm.
»Ruf ihm lieber einen Krankenwagen«, meinte James mit einem Anflug von Mitleid in der trotzigen Stimme.
Die Erwähnung von Erwachsenen ließ die Stimmung der etwa zwanzig Zuschauer von Spannung in Panik umschlagen. Was, wenn mit dem Krankenwagen auch die Bullen auftauchen? Was, wenn die Kerle losziehen und ihre Kumpels holen? Jeder dieser Gedankengänge führte zum gleichen Schluss: Weg von hier, so schnell wie möglich!
Das Publikum begann, sich zu zerstreuen und Hannah zupfte James am Arm.
»Komm schon, James«, bat sie.
Max, James und die drei Mädchen zogen hinter den anderen Kindern her, die auf die Tore am Stausee zur Palm-Hill-Siedlung zuliefen. Hannah gab James ein Taschentuch, damit er sich das Gesicht abwischen konnte, während Max seine Sprache wiederfand und den Vorsitz in der James-Jubel-Gesellschaft übernahm.
»Wo hast du das gelernt, James? Das war ja klasse … wie bei Terminator . Dieses Knacken, als sein Arm brach, hat sich angehört wie … Oh Mann! Du weißt schon, wie wenn man ein Huhn aus dem Ofen nimmt und ein Bein abreißt.«
James wollte nicht daran erinnert werden und registrierte
genervt, wie langsam seine neuen Freunde dahinzockelten. Die Mischung aus CHERUB-Training und vielen Strafrunden ließen James gut fünf Kilometer rennen, ohne ernsthaft außer Atem zu kommen. Die Kids aus Palm Hill schnappten schon nach einem Zehntel der Strecke nach Luft.
»Wo hast du das gelernt, James?«, wiederholte Max mit großen Augen und ehrfürchtig grinsend.
»Einer meiner Pflegeväter war Karatelehrer«, log James.
»Kannst du mir ein paar Tricks zeigen?«
»Das dauert Monate«,
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