Top Secret - Der Ausbruch
zog den olivgrünen Combat-Mantel von der Rückenlehne seines Stuhls. »Darf ich meine Schwester begrüßen gehen?«
Glücklicherweise war Mathematik James’ bestes Fach und er verstand sich gut mit Mrs Brennan. Sie gab James die Hausaufgaben, die er in seinen Rucksack stopfte, während er den Gang zwischen den Klassenräumen entlangrannte und durch eine Doppeltür in die Kälte hinaustrat.
Dort hielt er an, um den Reißverschluss seines Mantels zu schließen und den Rucksack zu schultern, damit er ihn nicht behinderte, wenn er rannte. Währenddessen kam Bethanys achtjähriger Bruder hinter ihm aus der Tür. Jake war ein niedlicher Junge mit großen braunen Augen und einer Igelfrisur.
»Gehst du zum Trainingsgelände und wartest, bis sie rauskommen?«, wollte er wissen.
»Klar«, nickte James.
»Ich hoffe, sie haben es geschafft«, meinte Jake.
»Hat Bethany dich nicht angerufen oder so?«, wunderte sich James. »Ich war bei einer Missionsbesprechung, aber als ich rauskam, hatte Lauren mir von Toronto aus auf den Anrufbeantworter gesprochen, als sie aufs Flugzeug nach London gewartet hat. Sie hat sich den Fuß verletzt, aber sie haben es geschafft.«
»Klasse«, grinste Jake. »Komm, wir machen ein Wettrennen!«
Er schoss mit hüpfendem Rucksack über den Rasen. James joggte ihm gemächlich nach. Es gab keinen Grund, sich sonderlich zu beeilen, da Mr Large seine Schüler noch ihre Sachen packen und das Trainingslager aufräumen lassen würde, bevor er sie entließ.
Nach etwa hundert Metern blieb Jake stehen und wandte sich gekränkt zu James um. »Was ist jetzt? Rennen wir oder nicht?«, rief er.
James freute sich darauf, seine Schwester zu sehen,
und Jakes Begeisterung wirkte ansteckend. »Ich lasse dir nur einen Vorsprung!«, neckte er, während er lossprintete. »Den wirst du auch brauchen!«
Jake quiekte auf und rannte wieder los. James brauchte ein paar hundert Meter, bis er ihn eingeholt hatte. Sie rannten über ein schlammiges Footballfeld. Weiter hinten konnten sie schon den Drahtzaun des Trainingslagers erkennen.
James hielt es für eine gute Idee, Jake einen freundschaftlichen Schubs zu geben, anstatt ihn zu überholen. Aber Jake stolperte und pflügte durch den weichen Boden.
»Viel Spaß mit dem Dreck, El Matscho«, tönte James.
Als Jake keine Anzeichen machte, wieder aufzustehen, glaubte James schon, dass er es übertrieben hatte. Er blieb stehen und trabte zu dem zusammengerollten kleinen Ball im Gras zurück.
Beunruhigt beugte er sich über ihn. »Alles in Ordnung?«
»Ich glaube, du hast mir den Arm gebrochen!«, jammerte Jake.
In James’ Magengrube machte sich ein seltsames Gefühl breit. So leicht würde er sich nicht herausreden können, wenn er einen Achtjährigen verletzt hatte, auch wenn es ein Unfall war. Jake könnte ins Krankenhaus kommen, er würde Schwierigkeiten kriegen und Laurens und Bethanys Rückkehr aus dem Grundausbildungslager wäre ruiniert.
»Es tut mir leid«, meinte James und rieb Jake sachte die Schulter. »Kannst du deinen Arm bewegen? Glaubst du wirklich, dass er gebrochen ist?«
Jakes weinerlicher Gesichtsausdruck verwandelte sich plötzlich in ein Grinsen, während er James mit seiner matschigen Hand am Handgelenk packte. Der Achtjährige zog James nach vorne und riss ihm gleichzeitig mit dem Fuß das Bein weg.
James verlor das Gleichgewicht und landete der Länge nach neben Jake im Dreck. Schnell griff sich der Kleinere eine Handvoll Matsch, schmierte ihn James auf die Backe und fuhr ihm dann mit den dreckigen Fingern durch die blonden Haare.
Während James noch wie betäubt von dem eisigen Wasser, das ihm den Nacken hinunterlief, auf dem Boden lag, sprang Jake übermütig auf.
»Ich hab ja solche Schmerzen!«, äffte er. »Blödmann!«
Das letzte Stück zum Trainingslager joggte Jake, wedelte mit den Armen und verneigte sich vor einem imaginären Publikum. James stand auf und wischte sich mit einem zusammengefalteten Taschentuch so gut wie möglich das Wasser aus dem Ohr.
»Kleiner Schummler!«, rief er ihm nach, doch er musste daran denken, dass er es eigentlich hätte besser wissen müssen. Jedes Kind bei CHERUB trainierte Karate und Judo und selbst kleine Jungen wie Jake kannten ein paar gute Griffe.
Nachdem James den Schreck überwunden hatte, fand er Jakes Streich eigentlich lustig. Als er das Tor des Trainingslagers erreichte und sich zu den anderen Geschwistern und Freunden der Prüflinge stellte, zog er den Schokoriegel aus der
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