Top Secret - Die Mission
Spiegel ihm zu sagen schien, er sei nicht weniger gealtert als die Möbel.
Seit seinem ersten Fernsehauftritt in den Tyneside-Studios war er weit gekommen, damals hatte er einen anderen Fernsehkoch in einer längst vergessenen Show vertreten. Jetzt besaß er acht Restaurants, hatte elf Kochbücher herausgegeben, die allesamt Bestseller waren, betrieb die längste Kochsendung im Fernsehen der Vereinigten Staaten und besaß einen Mehrheitsanteil am Satellitenkanal Gourmet-Network.
Cobb ging zur Bar hinüber und überlegte, ob er sich einen Wodka genehmigen sollte, doch es war erst zehn Uhr morgens, und die staubigen Flaschen und die Fingerabdrücke auf den Gläsern widerten ihn an. Seine Agentin Amanda klopfte an die Tür und trat sofort ein, ohne eine Antwort abzuwarten.
Er wollte sie gerade fragen, warum sie sich darauf eingelassen hatten, in diesen schäbigen Laden zurückzukehren, als sich graue Reifen in den
Raum schoben. Das Mädchen im Rollstuhl war dreizehn Jahre alt, ihre Arme waren streichholzdünn, und an den Beinen hatte sie Metallstützen. Er hatte ihre herzzerreißende Geschichte gehört, konnte sich aber nur noch daran erinnern, dass er zu müde gewesen war, um zu widersprechen, als es darum ging, dass sie ihn in seiner Garderobe besuchte.
»Hallo, junge Dame«, begrüßte er sie mit einem Akzent, der irgendwo zwischen Mittelengland und Kalifornien lag. Den Charme schaltete er auf Knopfdruck an. »Du musst Gaynor sein!«
Das Mädchen lächelte und sagte etwas, beziehungsweise gurgelte etwas, denn aus ihrer Kehle hing ein Atemschlauch.
Glücklicherweise konnte Gaynors Mutter dolmetschen. »Sie hat Ihnen Kekse gebacken«, erklärte sie und holte eine luftdichte Schachtel aus einem Korb unter dem Rollstuhl.
Gaynor war so schwach, dass sie eine halbe Minute brauchte, um den Deckel zu öffnen. Cobb überbrückte die Stille damit, dass er seine Agentin bat, ihnen Tee zu holen.
»In sauberen Porzellantassen«, fügte er hinzu und fragte sich sogleich, ob ihn diese Forderung wie das prominente Arschloch klingen ließ, das er nie hatte sein wollen.
Cobb nahm einen der kleinen Biskuitkekse aus der Schachtel und biss hinein, das Schlimmste erwartend.
»Die sind ja köstlich!«, rief er strahlend.
Und das war nicht einmal gelogen. An diesen Keksen stimmte alles: Sie waren locker, aber nicht trocken und enthielten gerade genug Vanille, um nicht langweilig zu schmecken. Doch nachdem er das Gebäck gelobt hatte, wusste er nicht, was er noch sagen sollte, und irgendwie machte der perfekte Biskuit die Anwesenheit der strahlenden Gaynor noch unangenehmer.
Im Laufe der Jahre hatte er mehr als genug sterbende Kinder gesehen, doch immer noch fühlte er sich so unbehaglich wie bei dem Treffen mit dem ersten dieser Kinder vor acht Jahren. Was sollte man auch sagen? Hi Johnny, wie läuft’s mit der unheilbaren Krebskrankheit? Doch die Gegenwart des Todes zu ignorieren und von etwas anderem zu reden, schien unglaublich schwierig. Es war, als würde man in einem Pool schwimmen und gleichzeitig versuchen, den Alligator am anderen Ende zu ignorieren.
»Soooooooo«, sagte Nick gedehnt, während er nach einem weiteren der köstlichen kleinen Kekse griff. »Seid ihr mit dem Auto hergekommen? Wie war der Verkehr?«
Dann warf er einen Blick auf seine 16 000 Dollar teure Patek-Uhr und wünschte, dass Amanda - eine Meisterin des Small Talks - sich mit dem Tee beeilen würde.
James war um fünf Uhr morgens geweckt worden, nachdem er eine unbequeme Nacht auf dem nackten Holzfußboden verbracht hatte. Kyle half ihm, sich die Haare braun zu färben und in eine Stachelfrisur zu gelen. Währenddessen diskutierten sie die Möglichkeiten, um die AFA-Operation zu sabotieren, ehe sie anlief. Aber es waren elf AFA-Mitglieder, mehrere von ihnen trugen Waffen, und die beiden Cherubs hatten keine Ahnung, wo sie waren, und keine Möglichkeit, mit der Außenwelt in Kontakt zu treten. Sie entschieden, vorerst mitzuspielen und zu hoffen, dass sich eine Gelegenheit ergab, die Operation zu stoppen, bevor jemand ernsthaft verletzt wurde.
Wieder stiegen sie in den stickigen, fensterlosen Laderaum des Lieferwagens, und nach einer Stunde Fahrt fand sich James in der vordersten Reihe eines Studiopublikums wieder und wurde von den Lampen über seinem Kopf langsam geröstet. Mark und Adelaide saßen rechts und links neben ihm.
Die AFA hatte getan, was möglich und angemessen war, um James unkenntlich zu machen. Seine Freizeithose und das
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