TOP SECRET - Die Sekte
zu klingen. »Auf meinem Stundenplan steht Zimmer W sechzehn. Weißt du, wo das ist?«
»W bedeutet Westflügel«, erklärte das Mädchen. »Den Gang entlang bis zum Ende und dann links. Ich habe zwar einen anderen Kurs, aber dein Klassenzimmer liegt auf dem Weg, wenn du mit uns gehen willst.«
James grinste. Kein zuversichtliches James-Adams-Grinsen, sondern ein unsicheres James-Prince-Lächeln.
»Ich bin Ruth und das ist mein Bruder Adam«, sagte das Mädchen auf dem sonnendurchfluteten Schulflur. »Woher kommst du?«
»Ursprünglich aus Sydney«, erklärte James. »Aber die letzten Jahre habe ich in London gewohnt.«
»Das muss toll sein. Du hast dir ihre Aussprache angewöhnt.«
»Das erklärt, warum er so blass ist«, bemerkte Adam, über das »b« stolpernd.
James selbst hielt sich zwar nicht für blass, aber gegen die Kinder, die das ganze Jahr im Sonnenschein verbrachten, wirkte er käsig.
Als er neben seinen neuen Bekannten herlief, überholte ihn einer der lärmenden Jungen aus dem Geschichtsunterricht und stieß ihn in den Rücken.
»Hüte dich vor den Freaks, Neuer«, meinte er.
Ein anderer ging gleichzeitig an Ruth vorbei und hustete laut. »Idioooooten«, sang er leise.
Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck liefen die Jungen weiter.
»Was sollte das denn?«, erkundigte sich James unschuldig.
»Sie machen sich über uns lustig wegen unseres Glaubens«, antwortete Ruth steif. »Aber wir lassen uns nicht mit der Welt der Teufel ein.«
12
Je schneller die Mission anlief, desto größer war die Chance, dass man etwas gegen Help Earth unternehmen konnte, bevor sie einen weiteren großen Anschlag verübten, aber man konnte die Dinge auch nicht überstürzen. Das würde Verdacht erregen und alle folgenden Phasen der Mission verzögern oder sogar die Chancen zunichtemachen, in die Arche zu gelangen und den inneren Zirkel der Survivors zu unterwandern.
Während der nächsten beiden Schultage unterhielt sich James einige Male mit Ruth und Adam. Einmal stellte er ihnen ein paar Fragen über ihre Gemeinde. Ruth beantwortete sie ihm gerne und gab ihm sogar eine Informationsbroschüre aus ihrem Rucksack: Zehn Lügen und Wahrheiten über die Survivors und ihren christlichen Lebensstil. James nahm das Heftchen mit und las es, sagte aber nichts dazu.
James war für sein Alter normal groß, aber von Natur aus kräftig gebaut, und das Fitnessprogramm bei CHERUB hatte ihn zu einer Person geformt, mit der man sich ganz offensichtlich lieber nicht anlegen sollte. Obwohl er sehr schüchtern tat, hatte niemand den Mumm, ihn aufzuziehen.
Dana hatte ein paar Schwierigkeiten mit Jungs, die sie anmachen wollten, aber sie besaß jahrelange Erfahrung
darin, Kerls zu sagen, wohin sie sich die Idee von einer Nacht am Strand stecken konnten.
Für Lauren dagegen war es härter. Bei CHERUB und ASIS hatte es ein Missverständnis bezüglich ihres Alters gegeben, was dazu führte, dass die Elfjährige nun in einer Klasse mit Zwölf- und Dreizehnjährigen saß. Als der Fehler bemerkt wurde, waren die Papiere für die Familie Prince bereits ausgestellt, und es hätte den Beginn des Einsatzes um fast eine Woche verschoben, ihn zu korrigieren.
Lauren war zwar clever genug, um im Schulstoff mitzukommen, aber dass sie blass war, einen englischen Akzent hatte und darüber hinaus auch noch kleiner als die meisten ihrer Klassenkameraden war, machte sie zum Ziel ständiger Spötteleien und brachte ihr den Spitznamen Pommy ein.
Ihre beiden Hauptfeindinnen waren Melanie und Chrissie. Die zwei sahen älter aus als dreizehn und die Schuluniformen spannten sich über ihrem Hintern und Busen. Am Freitagmorgen, als Lauren von den Fahrradständern zu ihrem Klassenzimmer lief, holten die zwei sie ein. Sie gingen hinter ihr her und schlugen ihr auf den Rucksack, was sie aus dem Gleichgewicht brachte.
»Lasst das!«, verlangte Lauren wütend.
»Lasst das!«, äfften die beiden sie nach.
Zu Schulbeginn saßen sie in verschiedenen Ecken des Klassenzimmers, aber in der anschließenden Mathestunde hockten Melanie und Chrissie am Tisch neben Lauren. Als der Lehrer ihre Übungshefte austeilte, legte
Lauren ihr Federmäppchen mit den Mathesachen auf den Tisch und steckte sich ein Kaubonbon in den Mund.
»Kann ich bitte auch eins haben?«, frage Melanie zuckersüß.
Zögernd hielt ihr Lauren die Schachtel hin, aber anstatt ein Bonbon zu nehmen, griff Melanie nach der ganzen Packung, nahm sich eine Süßigkeit heraus und reichte die Schachtel
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