TOP SECRET - Die Sekte
Theorien die Mitglieder einschüchtern und ihnen wenig Zeit lassen sollten, selbst über ihre Einstellung zur Sekte nachzudenken:
»Survivors innerhalb der Kommune leben nach einem strengen Stundenplan, der dafür sorgt, dass sie zu wenig Schlaf bekommen und im wachen Zustand ständig beschäftigt sind. Sie erhalten zuckerreiche Kost und sonstige stimulierende Nahrungsmittel wie Koffein. Kombiniert
führen diese Faktoren zu einem Schwindelgefühl, das ein ehemaliges Survivors-Mitglied als ›Leben in einem bunten Nebel‹ beschrieb. Unglücklicherweise können sich Schlafmangel, schlechte Ernährung und zu viel Aktivität langfristig fatal auf die Gesundheit eines Menschen auswirken. Der häufigste Grund, den ehemalige Survivors-Mitglieder für ihren Austritt aus der Sekte angaben, ist völlige Erschöpfung.«
Um der Untätigkeit und damit den tiefsten Tiefen der Hölle zu entgehen, erhielt James einen detaillierten Stundenplan, der sein ganzes Leben verplante. Bis er seinen Besitz im Schrank verstaut und die weiße Perle an seinem Halsband befestigt hatte, war es halb neun. Schnell warf James einen Blick auf den Stundenplan für Samstag, während Paul ihn drängte, rasch zum Morgengottesdienst zu laufen.
SAMSTAG
06:45 Aufstehen
07:00 Morgenlauf/Frühgymnastik
07:45 Duschen und Körperpflege
08:10 Frühstück
08:35 Frühgottesdienst
09:00 Arbeitseinteilung
12:45 Mittagessen
13:30 Mittagsgottesdienst
14:00 Spendenaktionen
17:30 Abendessen
18:20 Abendgottesdienst
18:50 Sport
20:30 Duschen und Körperpflege
20:50 Spätgottesdienst
21:15 Aufsuchen des Schlafsaales
23:00 Licht aus
Die Gottesdienste der Survivors waren kurz, beschwingt und schnell. James saß neben Paul im äußeren Kreis. Die rein männliche Gemeinde hielt sich an den Händen, um eine Barriere gegen den Teufel zu bilden, während eine grauhaarige Frau namens Ween in die Mitte des Kreises ging. Sie setzte sich und stellte Bongos zwischen ihre Knie. Nachdem sie alle zur Ruhe gerufen hatte, begann sie, energisch auf ihre Trommeln einzuschlagen.
»Herr, wir danken dir, dass du uns als Überlebende auserwählt hast. Wir danken dir für unsere sichere Unterkunft. Wir danken dir für den Schutz vor dem Teufel. Der Kreis beginnt hier.«
Ween deutete wahllos auf jemanden im Kreis, der Gott dafür dankte, dass er seinen Sohn Jesus Christus geopfert hatte. Alle sangen »Dank sei Gott, dem Herrn« . Dann dankte der nächste Gott für seine wundervollen Kinder und wieder sangen alle »Dank sei Gott, dem Herrn« . Ween trommelte ekstatisch, während einer nach dem anderen seinen Dank vorbrachte.
James wusste nicht, was er sagen sollte, und stieß schließlich hervor: »Herr, wir danken dir dafür, dass du mich zu einem Engel gemacht hast.«
Das gefiel allen, und James erntete das lauteste »Dank sei Gott, dem Herrn« der ganzen Zeremonie. Als beide Kreise durch waren und man Gott für dreißig verschiedene Sachen gedankt hatte, legte Ween die Trommel beiseite und befahl allen, aufzustehen und Hände und Füße zu bewegen.
»Atmet tief ein«, sagte sie leise. Und gleich darauf: »… und aus.«
James hatte in Büchern von den Atemübungen gelesen, dies war seine erste praktische Erfahrung damit. Es war ganz einfach: Wenn man sich ein paar Minuten lang zwang, ganz tief Luft zu holen, erhöhte sich der Sauerstoffgehalt im Blut und führte zu einem Gefühl der Hochstimmung. Miriam hatte ihm beigebracht, diese Atemtechnik zu umgehen, indem er normal weiteratmete und dabei übertriebene Bewegungen machte, um vorzutäuschen, er tue das Gleiche wie alle anderen. In kleinen Dosen war die Atemübung allerdings harmlos, und James entschloss sich, auszuprobieren, was für ein Gefühl das war.
Drei Minuten lang atmete die Gruppe schnell ein und aus, während Ween sie beruhigte und aufforderte, sich zu entspannen und sich vorzustellen, wie Gottes Liebe ihre Herzen erwärmte.
»Und jetzt«, sagte Ween schließlich wieder mit normaler Stimme, »umarmt jemanden.«
James wandte sich zu Paul um und die beiden Jungen schlangen die Arme umeinander.
»Du bist ein wundervoller Mensch und Gott liebt dich«, sagte Paul vollkommen ernst.
James musste unwillkürlich lächeln. »Du bist auch ganz in Ordnung, Kumpel. Ich bin sicher, Gott liebt dich auch.«
Ween nahm ihre Trommeln vom Boden auf und schritt zwischen den sich umarmenden Männerpaaren aus dem Raum hinaus. James und Paul waren die Letzten, die gingen. James fühlte sich wohl. Es erinnerte ihn an
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