Topchter der Köingin Tess 1
gehofft hatte. Ich riss mich los und stolperte auf die Lichtung. Trotz ihrer mutigen Worte erbleichte die Prinzessin und umklammerte den Arm ihres Ziegenhirten. Dann zwang sie sich sichtlich, ihn loszulassen, und strich sich nervös das Kleid glatt. Die Frau aus dem Gasthaus hatte recht. Das da war ein willensschwaches, weichliches Nichts. Unter ihr würde Costenopolis bald fallen.
»Stell meine Handlungsweise nie wieder in Frage«, sagte ich in ebenso kultiviertem Tonfall, obwohl ich innerlich kochte. »Du bist eine kleine Einfalt vom Lande, die nicht das Geringste darüber weiß, was es bedeutet, ein Land zu regieren. Ohne meine Hilfe wirst du es rasch verlieren.«
»Dies ist mein Königreich, nicht deines«, erwiderte sie mit hocherhobenem Kinn und roten Flecken auf den Wangen. »Und ich werde damit sehr gut ohne dich zurechtkommen. Vergiss das bloß nicht.«
Ich rückte einen weiteren Schritt vor, und der Ziegenhirte trat unsicher von einem Fuß auf den anderen. »Dein Königreich?«, wiederholte ich, und sie rümpfte verächtlich die Nase – zweifellos glaubte sie, dass meine sanfte Stimme auch ein sanftes Temperament bedeute.
»Ja, mein Königreich. Thadd hatte ganz recht. Du bist eine gierige kleine Bettlerin und neidisch auf mich, weil du nicht die Prinzessin bist, sondern ich.«
Ich versuchte, ruhig weiterzuatmen. »Ich habe dich zwanzig Jahre lang am Leben erhalten«, sagte ich, und trotz all meiner Bemühungen hob sich meine Stimme doch. »Und du nennst mich eine gierige Bettlerin? Ich habe gewiss nicht um diese Rolle gebeten. Du hast mein ganzes Leben ruiniert, du und deine verdammte Prophezeiung vom Roten Mond!«
Mit verkniffenem Gesicht musterte sie mich von Kopf bis Fuß. »Du redest unflätig, und dein Kleid ist zerrissen. Mutter hat mir geschrieben und erklärt, ich solle dich wie meine Schwester behandeln, aber du bist nicht würdig, als ihre Tochter zu gelten. Meine Eltern haben in dir nie etwas anderes gesehen als eine Möglichkeit, mich zu schützen. Du bist nicht ihre Tochter. Wie hätten sie dich lieben können?«
»Du … kleines … Schohmaul!«, stammelte ich und blieb bebend vor ihr stehen. Meine Mutter, nicht ihre. Mein Vater, nicht ihrer.
»Für diese Unverschämtheit werde ich dich vom Kanzler auspeitschen lassen«, sagte sie, die Nase hoch in der Luft.
Ich stieß zischend den Atem aus. Kurz flackerte die Furcht in mir auf, sie könnte es ihm tatsächlich befehlen. Zorn spülte die Angst fort. Wenn Kavenlow mich tatsächlich schlagen sollte, dann würde ich ihm zumindest einen Grund dazu geben.
Ich ging um das Feuer herum und versetzte ihr mit der flachen Hand eine schallende Ohrfeige.
Sie schnappte nach Luft und wich einen Schritt zurück. Der Abdruck meiner Hand zeichnete sich hässlich rot auf ihrer Wange ab. Einen Moment lang war sie wie erstarrt vor Schreck, aber dann stürzte sie sich auf mich und schrie vor Zorn.
Ich trat den Rückzug an, doch nicht schnell genug. Wir gingen in einem Gewirr aus Röcken und fliegendem Haar zu Boden. Sie traf mit der Faust mein Auge. Sterne blitzten in meinem Kopf auf, und ich riss ihn zurück. Sie krallte die Finger in meine Haare, und ich schlug wieder mit der flachen Hand zu – es fühlte sich an, als hätte ich sie diesmal am Ohr getroffen. Sie ließ los, und obwohl mir immer noch Sterne vor einem Auge flimmerten, packte ich sie bei den Schultern und drückte sie zu Boden.
Ich schob ein Bein über sie und setzte mich auf ihren Rücken. »Sie sind meine Eltern!«, schrie ich und presste ihr hübsches blondes Köpfchen in Dreck und verrottende Blätter. »Versuche nie wieder, sie mir wegzunehmen. Hast du verstanden? Ich bin ebenso ihre Tochter wie du! Ich bin ihre Tochter. Ihre Tochter!«
Die Prinzessin weinte und streckte die Arme nach hinten, so dass die Ärmel ihres Kleides bis zu den Ellbogen hochrutschten, während sie nach mir tastete. Zweige und Blätter hingen in ihrem Haar, und ich stieß ihren Kopf auf den Boden. Erschrocken fuhr ich zusammen, als Duncan mich an den Schultern packte und von ihr herunterzerrte.
Seine Augen blitzten vor Belustigung, und ich fragte mich, wie lange er mich schon beobachtet hatte. Der Ziegenhirte hatte sich klugerweise herausgehalten und stand bleich und zitternd am Rand des Lagers. Lachend schüttelte Duncan den Kopf, hielt mich aber weiter am Ellbogen fest. »Tess, was soll denn das?«
»Lass mich los!«, schrie ich, und als er es nicht tat, schlug ich ihm die Faust in die Magengrube.
Er
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