Topchter der Köingin Tess 1
noch tiefer in meinen Kopf, während wir den Pfad zur Hauptstadt entlanggaloppierten. Der Weg wies zwar Hufspuren und Rillen von Wagenrädern auf, war aber dankenswerterweise leer. Jecks Pferd stolperte nie, und die sanfte Bewegung, die mich normalerweise beruhigte, machte alles nur schlimmer. Jedes Zögern vor dem nächsten Hufschlag klang für mich, als holte jemand Luft zum Sprung, und vor Anspannung hätte ich schier zerspringen mögen. Meine Gedanken kreisten immer wieder um die Frage, der gegenüber ich mich bisher verschlossen hatte. Was soll mit der Prinzessin geschehen? Wenn die Prinzessin den Thron bestiege, würde König Edmund sich niemals davon überzeugen lassen, dass ich Garrett zu Recht getötet hatte, weil er meine Eltern ermordet hatte. Nur wenn ich eine Herrscherin vom selben Stand war, würde er mir überhaupt zuhören. Nur wenn ich selbst den Thron bestieg, konnte ich den Mord an meinen Eltern rächen.
»Aber es ist nicht mein Königreich«, flüsterte ich und hörte, wie meine Stimme zitterte.
Sollte es aber sein, wisperte ein selbstsüchtiger Gedanke. Mich schauderte, und ich verbarg es, indem ich das Pferd antrieb, schneller zu laufen. Sie mochte die rechtmäßige Erbin der Krone sein, aber sie würde sie binnen drei Jahren verlieren, wenn Misdev oder sonst ein Königreich, das den Reichtum durch unsere Häfen strömen sah, sie an sich riss. An der gesamten Küste würde ein Krieg ausbrechen, ob ich Garrett vorher tötete oder nicht. Kapitän Borlett würde Soldaten transportieren statt Getreide. Menschen würden verhungern. Menschen würden sterben.
Ich lenkte Jecks Pferd zu einem Ast, auf dem eines von Kavenlows Blättern steckte. Als ich es abriss, machte es ein feuchtes Geräusch, und vor Aufregung kribbelte es in meiner Magengrube. Sie waren ganz nah. Vielleicht nur ein Stück außer Sichtweite. Mit zitternden Fingern ließ ich das Blatt fallen.
»Duncan«, sagte ich und brachte Jecks Pferd zum Stehen. »Wir halten hier an.«
Er zügelte Tuck so scharf, dass dieser den Nacken durchbog und die Muskeln an Duncans Schultern hervortraten. »Jetzt? Sieh dir diese Warenspur an. Sie sind direkt vor uns.« Im frühen Dämmerlicht unter den Bäumen wirkten seine Augen riesig.
»Es wird rasch dunkel«, sagte ich. »Sie haben gewiss auch angehalten. Wir werden sie morgen einholen.« Sein fragendes Schweigen trieb mir die Hitze in die Wangen. Ich stieg ab und führte Jecks Pferd und Ruß vom Pfad herunter auf eine kleine Lichtung.
»Also schön«, sagte er langsam und stieg ab. Ich spürte seinen verwunderten Blick, während ich die Zügel von Jecks Pferd an einem Busch festband und sofort auf den Pfad zurückkehrte. Ich musste sie sehen. Ich musste diese Prinzessin sehen. Vielleicht war sie doch nicht so zerbrechlich und dumm, wie die Wirtin sie beschrieben hatte.
»Tess? Wo gehst du hin?«
Duncans Stimme ließ mich herumfahren. »Ich suche uns etwas zu essen«, log ich, ohne zu wissen, warum. »Ich bin gleich wieder da.«
Er kratzte sich mit einem Finger an diesem widerlich spärlichen Bart. »Das hast du noch nie getan.«
Ich presste die Lippen zusammen und warf mir mit einer scharfen Kopfbewegung eine Locke aus den Augen. »Wäre es dir lieber, wenn ich wieder zu kochen versuche?«
Meine Stimme klang barsch vor Zorn, den ich an der falschen Person ausließ, doch statt ebenfalls böse zu werden, starrte er mich nur an. »Was ist mit deinen Pferden?«
»Oh«, sagte ich und kehrte um. »Ja.« Hastig nahm ich Jecks Pferd das Reitkissen und meine Bündel ab. Ich ließ alles einfach im Schmutz neben dem Pfad liegen und klopfte mir den Staub von den Händen. »So«, sagte ich. »Ich bin bald wieder da.«
Ich ging den Pfad entlang. Es kribbelte mir im Nacken, doch ich weigerte mich, zurückzublicken. Mein Herz schlug immer schneller. »He!«, rief er mir nach, und ich fuhr herum. Rasch ließ ich die Hände von meinem Haarknoten sinken, um den Wasserschlauch aufzufangen, den er mir zuwarf. »Sieh zu, ob du vielleicht auch Wasser findest.«
»Ja, ist gut«, sagte ich und hastete den Weg entlang. Sobald ich um die nächste Kurve außer Sicht war, raffte ich die Röcke und lief noch schneller. Aber meine Anspannung löste sich durch die Bewegung nicht; sie wurde nur schlimmer.
Leise Stimmen ließen mich innehalten. Eine war hoch, die andere tief. Geduckt wich ich vom Pfad ab. Mein Herz hämmerte, und meine Hände zitterten. Ich roch den Rauch ihres Feuers, ehe ich sie sah. Tief niedergekauert
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